Kommentar:Vorbild Allach

Das MD-Heizkraftwerk darf nicht einfach abgerissen werden. Die Schlote prägen die Silhouette der Stadt Dachau.

Von Wolfgang Eitler

Es gibt einen Außen- und einen Innenblick auf das frühere MD-Heizkraftwerk. Wer als Fremder von München kommend auf die Stadt zufährt, sieht drei Schlote. Mehr ist es nicht. Aber der Binnenblick erzählt eine andere Geschichte: Sie beginnt bei der Pulverfabrik, wegen der die Nationalsozialisten Dachau als Standort für das erste Konzentrationslager ausgewählt hatten. Die verbliebenen, architektonisch beeindruckenden Gebäude damals moderner Industriearchitektur verfallen.

Die Geschichte führt weiter zur ehemaligen MD-Papierfabrik neben der Altstadt, die einst den Kern des Wohlstands bildete und deren Konversion beschlossen ist. Zwar sollen denkmalgeschützte Gebäude erhalten bleiben, nicht aber das Heizkraftwerk. Wer in Dachau lebt, fährt auf die Schlote nicht einfach zu. Für ihn prägen sie die Silhouette.

Deswegen darf das Heizkraftwerk nicht einfach abgerissen werden: Der Stadtrat muss sich der Debatte öffnen, wie viel ihm die gesamte industrielle Geschichte nach dem Wandel hin zu einem der üblichen Orte für Dienstleistung mit Hightech-Charakter wert ist. So viel wie dem Architekturforum, das die Erhaltung fordert? Oder reicht ein Ersatz, der den wirtschafts- und kulturgeschichtlichen Maßstab als Hochhaus simuliert?

Beim ehemaligen Baywa-Gelände hatte sich der Stadtrat für die zweite Lösung entschieden. Entstanden ist ein ansehnlicher Turm, aber die Geschichte ist weg. Er erzählt nichts mehr. Womöglich ergibt sich ein Kompromiss aus einer Ideensammlung für eine künftige Nutzung. Bestes aktuelles Beispiel dafür ist das ehemalige Kesselhaus in Allach, das eben erst neu gestaltet wurde. Die Diamalt AG war einst so prägend für den Münchner Stadtteil wie MD für Dachau.

© SZ vom 02.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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