Kommentar:Gefährliche Neiddebatte

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Haimhauser Gemeinderäte warnen vor einer Konkurrenz zwischen Bürgern und Flüchtlingen im sozialen Wohnungsbau. Das ist zwar Unsinn, aber brandgefährlich

Von Rudi Kanamüller

Viel hat nicht gefehlt, und die Diskussion im Haimhauser Gemeinderat über den Bau von Flüchtlingsunterkünften im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus wäre in eine Richtung gelaufen, die auch von Pegida-Anhängern verfolgt hätte werden können. Ohne dem Gemeinderat und CSU-Landtagsabgeordneten Bernhard Seidenath Böses unterstellen zu wollen: Aber dessen Einlassung, wonach die Kommunen zuerst für "die eigenen Leute bauen" sollten, weil es sonst "böses Blut" in der Bevölkerung geben könnte, schafft erst den Unfrieden, den zu vermeiden, er vorgibt. Bedeutet die Aussage doch implizit, dass die Kommunen nur die Wahl hätten, entweder den eigenen Bürgern, die ebenfalls der Hilfe bedürfen, oder den Flüchtlingen zu helfen. Davon kann überhaupt nicht die Rede sein: Sozialer Wohnungsbau hat mit den aktuell benötigten Unterkünften für Kriegsflüchtlinge und Asylbewerber nichts zu tun.

Wer das bewusst vermengt, der handelt unredlich. Und wo gezündelt wird, da entsteht ein Brand, aus dem sogar ein Flächenbrand entstehen kann. Seidenath sollte das wissen. Er sollte auch wissen, dass im Landkreis wie in der ganzen Münchner Region in den vergangenen Jahren der soziale Wohnungsbau sträflich vernachlässigt wurde. Altlandrat Hansjörg Christmann (CSU) hat dieses Problem zu seinem Abschied aus der Kommunalpolitik als größte Herausforderung der Gemeinden und Städte bezeichnet - lange vor der aktuellen Flüchtlingskrise. Es liegt nicht an den Asylbewerbern, wenn etwa die Stadt Dachau nicht mehr weiß, wo sie die wachsende Zahl von Obdachlosen unterbringen kann.

Die Frage, Sozialwohnungen versus Flüchtlingsunterkünfte, stellt sich nicht. Im Gegenteil: Das Problem, vor dem viele Kommunen stehen, Flüchtlinge und Asylbewerber möglichst schnell unterzubringen, ist akut. Hier geht es um die Erfüllung einer humanitären Aufgabe - und die sollte so wahrgenommen werden, dass nicht in der öffentlichen Wahrnehmung ein Keil zwischen Bürgern und Flüchtlingen getrieben wird. Mit seiner populistischen Einlassung hat Seidenath auch den engagierten Helfern im Landkreis einen Bärendienst erwiesen. Ebenso abwegig ist die Unterstellung aus den Reihen der Haimhauser, die Asylbewerber würden in Luxuswohnungen untergebracht. Wer so etwas behauptet, der schürt eine Neiddebatte. Worte sollten gerade bei diesem Thema sorgfältig gewägt werden. Wenn die Politik ständig davor warnt, dass die Stimmung im Land kippen könnte, dann sollte sie nicht dazu beitragen, dass die große Akzeptanz für Flüchtlinge ins Wanken gerät.

© SZ vom 28.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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