Kommentar:Ein Fanal gerade auch für Dachau

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Was wurde versäumt - von allen Beteiligten in Politik, Kultur, Pädagogik, auch in der Presse -, dass ausgerechnet unter dem Namen Dachau, der weltweit für den Holocaust und die Verbrechen des Nationalsozialismus steht, die Anhängerschaft der AfD derart gewachsen ist

Von Helmut Zeller

Ein schwarzer Sonntag für die Demokratie: Schon vor vier Jahren hätte die AfD, gemessen am Wahlergebnis im Landkreis Dachau, knapp den Sprung geschafft. Nun sitzt die rechtsnationalistische Partei als drittstärkste Kraft im Bundestag - und das mit Hilfe auch von Wählern des Landkreises; mehr als 13 oder gar 14 Prozent wählten in einer Reihe von Gemeinden die AfD. Erschreckend auch das Ergebnis in der Stadt: zwölf Prozent - und das am sogenannten Lern- und Erinnerungsort Dachau. Die AfD hat sich hinter der SPD im Landkreis als drittstärkste Partei formiert. Was das bedeutet, haben am Wahlabend CSU und Sozialdemokraten noch gar nicht richtig thematisieren können, zu sehr waren sie mit ihren eigenen drastischen Einbrüchen beschäftigt.

Doch die zentrale Frage lautet: Wie kann das sein, wie kann die AfD in einem Landkreis, in dem die Arbeitslosigkeit gegen Null geht, in einer Boomregion derart punkten? Mehrere Studien belegen, dass AfD-Wähler in der Mehrheit überhaupt nicht aus wirtschaftlich benachteiligten Bevölkerungsschichten stammen. Natürlich, viele Wähler werden gerade im Münchner Speckgürtel mit einem Mietpreiswucher konfrontiert, einzelne dadurch schon vertrieben. Auch auf Missstände, wie sie etwa in den Streiks am Amperklinikum zum Ausdruck kamen, reagierte die Kommunalpolitik nicht ausreichend.

Aber im Mittelpunkt der nötigen Diskussion steht doch eher, wie verschiedene Studien belegen, die Abkehr der AfD-Wähler von einer offenen Gesellschaft, zu der sich die Bundesrepublik entwickelt hat. Ein großer Teil der Landkreisbevölkerung wählte eine Partei, aus deren Mitte rechtsradikale, rassistische und antisemitische Hetze kommt - trotz KZ-Gedenkstätte, trotz einer Erinnerungspolitik, die sich der Verantwortung aus der Nazigeschichte zu stellen bemüht ist. Es wäre zu einfach, jetzt zu sagen, das sind eben Protestwähler oder diejenigen, die partout keine Lehren aus der Geschichte ziehen wollen. Selbstkritische Befragung ist vonnöten: Was wurde versäumt - von allen Beteiligten in Politik, Kultur, Pädagogik, auch in der Presse -, dass ausgerechnet unter dem Namen Dachau, der weltweit für den Holocaust und die Verbrechen des Nationalsozialismus steht, die Anhängerschaft der AfD derart gewachsen ist.

In diesem Schatten stehen die anderen Ergebnisse. Etwa, dass Katrin Staffler das Direktmandat geholt und bei ihrer ersten Kandidatur als Nachfolgerin der unangefochtenen Gerda Hasselfeldt oft mehr Stimmen erhielt als ihre Partei. Die AfD hat ihr die Freude über den Erfolg genommen, auch den Grünen über ihr gutes Zweitstimmenergebnis und die SPD in doppelte Verzweiflung gestürzt. Dieser Tag wird Auswirkungen auf die Landtagswahl 2018 haben und auf die Kommunalwahlen 2020 - wenn jetzt nicht von allen demokratischen Kräften eine Antwort auf die AfD gefunden wird. Die fehlte eben bisher.

© SZ vom 25.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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