Kommentar:Die großen Alten

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Es ist beeindruckend und gleichzeitig bestürzend, dass ein solches Ereignis wie die Lange Nacht der Offenen Türen in Dachau von zwei Frauen organisiert werden muss, die sich sowie schon das ganze Jahr über um den Wasserturm kümmern

Von Wolfgang Eitler

Das Alter von Frauen zu nennen, gilt gemeinhin als Fauxpas. Aber in diesem Fall muss es sein. Rosa Rühl, die Finanzchefin des Fördervereins Wasserturm, ist 88 Jahre alt. Karin-Renate Oschmann 80. Diese beiden organisieren seit mehreren Jahren die Lange Nacht der Offenen Türen in Dachau. Auf die Frage, wer ihnen bis auf die Kollegen des Fördervereins geholfen hat, sagt Karin-Renate Oschmann: "Wir waren ganz allein." Aber weil sie Kritik nicht so gern explizit äußert, sondern sie um der eigenen heitere Stimmung angesichts des großen Publikumserfolgs relativieren will, fügt Oschmann hinzu: "Aber es ist nicht so schlimm gewesen."

Tatsächlich ist es beeindruckend und gleichzeitig bestürzend, dass ein solches Ereignis von zwei Frauen organisiert werden muss, die sich eh schon das ganze Jahr um den Wasserturm kümmern. Das zeitliche Engagement für die Lange Nacht verschweigt Oschmann: "Ja nun - ich weiß nicht." Sie habe halt die Ateliers, Galerien und Museen "abgeklappert". Einen Monat oder zwei? Eher eineinhalb, sagt sie. Und übrigens habe die Stadt einen Zuschuss von 1400 Euro gewährt. Rosa Rühl fährt dazwischen: "Aber nur für die Werbekosten." Also nicht für den zeitlichen Aufwand der beiden. Aber warum haben sie nicht das städtische Kulturamt oder den Zweckverband Dachauer Museen mit fest angestellten Mitarbeitern und Etats in Millionenhöhe um Hilfe gefragt? "Nein", sagt Oschmann, "haben wir nicht". Also selbst schuld? Bei der Antwort ist der Blick von Karin-Renate Oschmann wichtig. Sie schaut einen an, also ob sie sagen will: "Die Absage erspare ich mir."

Was passiert, wenn der Förderverein Wasserturm, dessen Mitglieder betagt bis älter sind, nicht mehr will oder kann? Bedeutet deren Absage das Ende der Langen Nacht und damit der einzigen Form in Dachau, in der die Vermittlung von bildender Kunst als einem gemeinschaftlichen Ereignis möglich ist?

P.S.: Wie es aussieht, darf man zuversichtlich sein, dass Karin Renate Oschmann und Rosa Rühl noch geraume Zeit durchhalten. Sie verließen die Lange Nacht erst gegen ein Uhr nachts.

© SZ vom 18.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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