Kommentar:Der Aufstand bleibt aus

Lesezeit: 2 min

Wo bleibt der Aufschrei der Kommunalpolitiker zum Pflegenotstand an der Amperklinik? Nur zwei Kreisräte (SPD) von insgesamt 60 folgten der Verdi-Einladung ins Streiklokal

Von Helmut Zeller

Auch dieser Streik, so ist zu befürchten, wird den Helios-Konzern nicht zum Einlenken bewegen. Der Konzernspitze in Berlin - denn nicht ihre Satrapen in der Dachauer Provinz haben das Sagen - ist die Arbeitsniederlegung allenfalls lästig. Die Amperkliniken AG ist eine Milchkuh in dem Geschäft mit der Gesundheit oder Krankheit der Menschen. Der Betrieb von Krankenhäusern ist auf Profitmaximierung ausgerichtet, da gerät die moralisch-ethische Seite schon mal in eine Schieflage. Das ist die erschreckende Wahrheit - und zu verantworten hat sie letztlich die Gesundheitspolitik des Bundes, der das einst vorbildliche Gesundheitswesen in Deutschland zu Tode reformiert hat. Pflegekräfte, Schwestern und Ärzte des Amperklinikums machen in der Regel einen hervorragenden Job. Das muss anerkannt werden. Aber wie lange können sie das noch machen?

Interessant ist die Frage, wie sich die Dachauer Bundestagsabgeordneten zu den Missständen stellen werden. Wenn sie es denn überhaupt tun. Der Wahlkampf, in dem dann zuletzt noch der Pflegenotstand thematisiert wurde, ist doch vorbei. Die Kommunalpolitik hat, auch wenn der Landrat den stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitz hält, im Grunde nichts zu sagen. Das ist die zweite bittere Wahrheit, nachdem der Landkreis sich in Folge der Privatisierung der Kreisklinik mit 5,1 Prozent der Anteile an der AG begnügt hat. Aber einzelne Kommunalpolitiker sollten die Missstände an den Kliniken nicht herunterspielen, wie das geschehen ist. Das schadet nicht nur der Glaubwürdigkeit ihrer Parteien im Hinblick auf die nächsten Wahlen. Das ist auch eine Ohrfeige für die völlig überlasteten Pflegekräfte und vor allem die Patienten, die unter dem Pflegenotstand am meisten leiden. Und man kann das Argument, dass man keine Pflegekräfte finde, schon nicht mehr hören: Wie denn auch, wenn man sie schlecht bezahlt und ihre Arbeit nicht anerkennt.

Das ist schon ein Erlebnis, wenn man in die Notaufnahme des Krankenhauses geht und mit der Aussicht auf vier bis fünf Stunden Wartezeit begrüßt wird, weil die Abteilung über dem Limit sei. Derartige und noch schlimmere Klagen von Dachauern häufen sich. Ist inzwischen der ein Narr, der glauben möchte, dass Ärzte dazu da sind, ihm zu helfen. Das Personal kann nichts dafür - aber von einer funktionierenden ärztlichen Versorgung, und das betrifft nicht nur das Krankenhaus, mag man nicht mehr sprechen. Wo bleibt der Aufschrei der Kommunalpolitiker, der Abgeordneten in Landtag und Bundestag? Vielleicht kann der Warnstreik sie in die Gänge bringen - aber danach sieht es nicht aus. Nur zwei Kreisräte (SPD) von insgesamt 60 folgten der Verdi-Einladung ins Streiklokal. So sieht die Realität aus.

© SZ vom 26.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: