Günther Maria Halmer:"Ich habe Thomas Texte schon immer geliebt"

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Ludwig Thomas "Heilige Nacht" ist zur Weihnachtszeit häufig in Dachau zu hören. Günther Maria Halmer knüpft an diese Tradition an. (Foto: Sammy Hart)

Bereits zum dritten Mal in diesem Jahr kommt Günther Maria Halmer zu einer Lesung in die Große Kreisstadt. Der Schauspieler schätzt das kulturinteressierte Publikum - und trägt mit der "Heiligen Nacht" diesmal auch einen echten Dachauer Klassiker vor

Von Interview Von Jana Rick, Dachau

- Die oberbayerische Note bringt der beliebte Schauspieler Günther Maria Halmer für seine weihnachtliche Lesung mit nach Dachau ins Ludwig-Thoma-Haus. Dort wird er am Freitag, 22. Dezember, unter anderem die biblische Geschichte Thomas vorlesen. Umrahmt wird die Lesung vom Chiemgauer Kerschbam Terzett, bestehend aus zwei Zithern und einer Kontragitarre. Der 74-Jährige gab dieses Jahr schon zwei Mal eine Lesung in Dachau.

SZ: Herr Halmer, jetzt lesen Sie bereits zum dritten Mal in Dachau. Wie kommen wir zu dieser Ehre?

Günther Maria Halmer: Das stimmt, ich freue mich sehr, wieder nach Dachau zu kommen. Ich lese gerne dort, ich habe das Gefühl, die Menschen fühlen sich dort sehr wohl. Und mir fällt auf, dass sie gerne die kulturellen Angebote wahrnehmen. Außerdem mag ich Dachau. Die schöne Altstadt, die Lokale, das Schloss . . .

Sie werden auch die bekannte Weihnachtsgeschichte "Heilige Nacht" von Ludwig Thoma lesen. Wieso gerade dieses Stück?

Ich finde, eine Lesung muss auch immer zum Kontext passen. Und in den Rahmen. Texte von Thoma bieten sich in Dachau einfach an, schließlich handeln viele Textstellen vom Dachauer Land. Zur Weihnachtszeit die "Heilige Nacht" im Ludwig-Thoma-Haus zu lesen - passender geht es praktisch gar nicht.

Kann man Sie als großen Ludwig-Thoma-Fan bezeichnen?

Auf jeden Fall! Ich habe seine Texte schon immer geliebt. Als Kind hat mir mein Vater immer verboten, die Lausbubengeschichten zu lesen. Ich habe mir nämlich irgendwann seinen Stil angeeignet, und im Gymnasium war das natürlich gar nicht gern gesehen. Was ich an Ludwig Thoma mag, ist, dass er die Menschen sehr kräftig beschreibt. Ich konnte mich als Junge sehr leicht damit identifizieren.

"Die Heilige Nacht" lesen Sie im Dialekt. Fällt Ihnen das leicht?

Auf bairisch zu lesen macht mir großen Spaß. Früher, an der bayerischen Schauspielschule, wurde ich von einer Kollegin gebeten, bei "Maria Magdalena" den Knecht zu spielen. Ich habe mir die Texte durchgelesen und wusste sofort, wie man sie sprechen muss. Bei Ludwig Thoma ist es genauso. Ich muss gar nicht darüber nachdenken, ich weiß einfach, das gehört so. Während ich lese, denke ich mir manchmal: Die kenne ich doch, die Menschen!

Und wie geht es dem Publikum mit dem Bairischen?

Die Dichtung enthält viele altbairische Wörter, die viele gar nicht kennen. Die erkläre ich dann oft dem Publikum. Aber als ich zum Beispiel in Landshut gelesen habe und dann die Wörter übersetzt habe, da haben die mich nur ausgelacht. Mal sehen, wie es in Dachau sein wird.

Lesen heißt auch immer interpretieren.

Das stimmt. Eigentlich ist Ludwig Thoma recht eindeutig. Aber trotzdem liest ihn jeder anders. Fast jeder bayerische Schauspieler hat schon mal die "Heilige Nacht" gelesen, natürlich können die Fassungen ganz unterschiedlich sein. Ich denke, im Vergleich zu anderen lese ich Thoma auf eine mehr expressionistische Art. Ich spiele viel mit meiner Stimme und schäle Figuren damit als Charakter heraus. Ich finde, es ist eine kräftige Geschichte, die Texte erscheinen mir hart. Man sollte sie nicht zu weihnachtlich, mit Kerzen und Tannenzweigen, darstellen. Ich bilde mir ein, ich lese das Stück so, wie sich das der Autor gedacht hat. Und ich hoffe, ich lese Ludwig Thoma so, dass er, wenn er mir zuhören würde, sagen würde: Ja, so ist es.

Sie lesen auch "Der Christabend", eine lustige Geschichte, in der Eltern ihre Töchter mit Männern bescheren möchten. Ist Weihnachten für Sie auch ein Familienfest?

Ja. Meine Frau und ich feiern mit unseren zwei erwachsenen Söhnen. Heutzutage streben Familien immer mehr auseinander, unsere zwei Söhne leben beide in Berlin, meistens sehen wir uns nur zu Weihnachten. Dadurch hat das Zusammensein einen noch höheren Wert bekommen als früher. Weihnachten bedeutet für mich aber auch Tradition: die zu beschenken, die man lieb hat. Ich will manche Traditionen gar nicht hinterfragen, es ist einfach schön, dass es sie gibt. An Heiligabend gibt es bei uns Reh, am Weihnachtsfeiertag Pute. Und mittags Kartoffelsuppe, damit wir nicht zu dick werden. (Lacht.)

An was erinnern Sie sich, wenn Sie an die Weihnacht Ihrer Kindheit denken?

Einmal habe ich zu Weihnachten eine elektrische Eisenbahn bekommen, das werde ich nie vergessen. Ich habe noch genau vor Augen, wie ich sie unter dem Weihnachtsbaum aufgebaut habe. Und an noch etwas werde ich mich immer erinnern: die Preiszettel, die alle in der Messe noch an ihren neuen Pelzmützen und Mänteln hängen hatten. Das fand ich immer sehr komisch, man konnte dann immer genau erkennen, wer was zu Weihnachten bekommen hat.

Wie früher Weihnachten war, darum geht es in den Weihnachtsgeschichten von Oskar Maria Graf, die Sie auch vorlesen werden. Wie hat sich Weihnachten verändert?

Mir ist aufgefallen, dass alte Weihnachtsgeschichten oft von Schnee, Kälte, roten Backen und einfachen Geschenken, wie Nüssen handeln. Weihnachten hat sich sehr verändert, nicht nur das Wetter. Ich finde, dass der besinnliche Wert verloren gegangen ist, der Kommerz hat ihn sich unter den Nagel gerissen.

Sie spielen auch in vielen Weihnachtsfilmen mit.

Ja, heute Abend läuft auch schon wieder einer im Fernsehen. Die werden ständig wiederholt, jedes Jahr aufs Neue. Diese Filme sind eben auch irgendwie eine Tradition zur Weihnachtszeit, auch wenn der Schnee beim Dreh künstlich an die Scheiben gesprüht wird. Mir kommt immer vor, dass die Leute jetzt mehr Zeit zum Lesen, Fernsehschauen und Musizieren haben.

Möchten Sie mit der Lesung mehr als auf Weihnachten einstimmen?

Natürlich ist das Anliegen der "Heiligen Nacht", die Leute zum Helfen anzuregen. Arme Menschen zu unterstützen. Und natürlich geht es in der Bibelgeschichte auch um das Thema Flucht, um verschlossene Türen. Thoma beschreibt meiner Meinung nach die Kälte des Landlebens sehr anschaulich, sich vor neuen Ankömmlingen zu verschließen. Aber ich möchte jetzt nicht so weit gehen, in der Lesung die Flüchtlingspolitik aufzugreifen. Ich lese von zwei Geflüchteten, auf der Welt haben wir Millionen.

© SZ vom 21.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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