Campus Martinsried:Aller Anfang ist schwer

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Seit 2010 betreibt auch die private Chemieschule Elhardt Labore und Unterrichtsräume auf dem Biotech-Campus Martinsried. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Seit den Siebzigerjahren hilft der Biotech-Campus Martinsried Wissenschaftlern dabei, zu Unternehmern zu werden

Von Stephan Handel

Als die ersten Siechenhäuser gebraucht wurden, da bauten die Menschen sie draußen vor der Stadt, wo sich niemand anstecken konnte. Das mittelalterliche Heilig-Geist-Spital lag ursprünglich ebenso vor der Stadtmauer wie das Leprosenhaus am Gasteig und später das Militärlazarett in der Isarvorstadt, wo heute "The Seven" steht, und das städtische Krankenhaus, das immer noch besteht und heute Ziemssen-Klinik genannt wird. Als allerdings das Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) im Südwesten der Stadt neu geplant wurde, da spielte Seuchenprävention keine Rolle. Das Klinikviertel an der Nussbaumstraße war in der Mitte des 20. Jahrhunderts einfach zu eng und zu klein geworden.

Mittlerweile ist aus dem Stadtrand-Klinikum Großhadern nicht nur das neben der Berliner Charité bedeutendste deutsche Universitätsklinikum geworden. Es ist auch gewachsen, es strahlt aus, und es hat aus der Schlafstadt Martinsried einen der europaweit einflussreichsten Standorte für Bio-Technologie gemacht.

Irgendwie ist es logisch: Ärzte an Unikliniken sind meistens gute Forscher - aber nicht immer geboren zum Unternehmer. Dafür braucht es andere Eigenschaften als wissenschaftliche Genauigkeit und medizinische Neugier. Doch auch epochale Erkenntnisse nützen niemandem, wenn sie nicht an den Mann, an die Frau, an den Patienten gebracht werden. Und so entstand seit den Siebzigerjahren neben Großhadern, eben in Martinsried, ein HightechCampus, mit den Max-Planck-Instituten für Biochemie und Neurobiologie, mit den LMU-Fakultäten für Biologie und Pharmazie. Und mit allen Möglichkeiten für Firmengründer, die den Mut aufbringen, im nicht einfachen Gesundheitsmarkt neue Produkte durchsetzen zu wollen.

"Life Science" heißen die Branche und das Wissenschaftsgebiet, denn es geht nicht mehr nur um Tabletten und Röntgen-Geräte. Es geht um "rote " Biotechnologie, im Gegensatz zur grünen, die sich mit Pflanzen beschäftigt: Ein Schwerpunkt ist dabei die personalisierte Medizin, also der Versuch, etwa bei Krebspatienten die jeweils individuellen Faktoren der Erkrankung zu identifizieren und danach die Therapie auszurichten und zu entwickeln.

Seit 1997 unterstützt die Agentur Bio-m die Unternehmensgründer: eine Nonprofit-Organisation, gefördert vom Freistaat, die weiß, wo es Fördermittel und Risiko-Kapital gibt, die Mentoren zur Verfügung stellt und bei Erstellung und Einhaltung von Business-Plänen hilft. Offensichtlich erfolgreich: Vor 1997 zählte das Unternehmen gerade mal 33 Firmen mit wenigen hundert Arbeitsplätzen. Im Jahr 2010 waren es 129 Firmen mit mehr als 2700 Angestellten.

Es ist kein einfaches Geschäft, denn die Entwicklung von Medizinprodukten kostet viel Geld und Zeit. "Natürlich ist es einfacher, eine App-Firma zu gründen", sagt Bio-m-Sprecher Georg Kääb. Allerdings hält Kääb den Herstellern von Labor-Produkten - wie Mikroskopen - zugute, dass diese sehr schnell auf den Markt kommen. Die Gründung von Firmen aus dem pharmazeutischen Bereich im weitesten Sinn ist hingegen schwierig: Potenzielle Geldgeber hören nicht gerne, dass es zehn Jahre dauern kann, bis ein Produkt verkaufsreif ist und Gewinn abwerfen kann.

So beherbergt das "Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie Martinsried", kurz IZB, durchaus Mieter, die bereits reif wären, sich eigene Immobilien zu suchen - aber weil es wenig Nachfrage von neuen Firmen gibt, also wenig gegründet wird, bleiben die alten Unternehmen weiter im IZB. Im Oktober eröffnet die LMU zudem in Martinsried ihr neues Biomedizinisches Zentrum - die Universität erhofft sich davon neben neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen auch einen Impuls für die Bereitschaft, aus Forschungsergebnissen Geschäftsmodelle zu machen, also Unternehmern - oder Forschern, die Unternehmer werden wollen - Ideen zu geben für deren wirtschaftliche Nutzung.

Das Klinikum Großhadern steht heute schon lange nicht mehr auf der grünen Wiese, die Stadt ist ihm entgegengewachsen. Und auch zwischen Stadtgrenze und Martinsried liegt nur mehr ein schmaler Grünstreifen. Der wird demnächst untertunnelt: Im kommenden Jahr wird damit begonnen, die Linie U 6 von Großhadern nach Martinsried zu verlängern und damit den Vorort an das städtische U-Bahn-Netz anzuschließen. Im Jahr 2020 soll der Tunnel fertig sein.

© SZ vom 19.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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