Burlesque: Wie Dita von Teese:Wo nackte Haut zu Glamour wird

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Die "Filly Follies" haben Burlesque als eine der ersten Gruppen nach München gebracht - hier dient das Strippen nicht der Männerphantasie, sondern dem Zelebrieren der Weiblichkeit.

Judith Liere

Langsam öffnet sie ihren BH. Steht mit dem Rücken zum Publikum, nestelt geschickt den Verschluss auf, lässt die Träger nach vorne über die Schultern gleiten - schon baumelt das seidig schimmernde Stück zwischen den Fingern ihres ausgestreckten Arms. Ein aufreizender Blick über die nackte Schulter. Dreht sie sich um? Sieht man jetzt gleich...? Sie dreht sich um. Hat aber vorher noch zwei riesige Fächer aus Straußenfedern gegriffen, mit denen sie leicht wedelnd das bedeckt, was sie eben freigelegt hat. Sie wiegt mit den Hüften, fächelt mit Federn, grinst. Sie weiß, worauf alle warten. Zögert es noch ein bisschen hinaus. Und dann. Streckt sie die Arme zur Seite. Endlich.

Die Burlesque-Gruppe 'The Filly Follies' zelibrieren ihre Weiblichkeit. (Foto: Robert Haas)

Endlich sieht man alles. Und doch irgendwie nicht. Denn auf der Bühne im Theater Drehleier steht keine Stripperin, sondern eine Burlesque-Tänzerin. Und beim Burlesque geht es nicht darum, möglichst schnell blankzuziehen und alles zu präsentieren. Tease steht im Vordergrund. "Die Verführung", erklärt die Tänzerin ChiChi Bouvet, "es geht um das Spielerische, die Phantasie, das Hinauszögern: ein bisschen zeigen, aber dann doch erstmal nicht."

ChiChi Bouvet und ihre beiden Kolleginnen Diva DeSaster und Aphrodite DeVine sind zusammen The Filly Follies. Seit 2008 treten die drei Münchnerinnen gemeinsam auf, um ihrem Publikum kleine Geschichten der Verführung tänzerisch zu erzählen. Und zur Verführung gehört eben meist auch das Entblättern - wobei beim Burlesque nie alles gezeigt wird. Brustwarzen und Scham bleiben bedeckt, wenn auch oft nur mit solchen Winzigkeiten wie Pasties, Nippel-Hütchen zum Aufkleben oder einem Merkin, einer Art Schamhaar-Toupet.

Auch nach ihrem Auftritt in der Drehleier wollen die drei Tänzerinnen ihre richtigen Namen und ihr Alter nicht verraten. Ab und zu rutscht ihnen im Gespräch mal "Anja" oder "Susi" heraus und sie erzählen, dass sie im normalen Leben im Marketing, im Modeeinkauf oder als Magazinredakteurin arbeiten, aber sonst bleiben sie die mysteriösen Schönheiten. Jede von ihnen spielt einen eigenen Bühnencharakter: ChiChi Bouvet tanzt glamouröse Nummern wie die "Flamingo Lady", Diva DeSaster mag ein bisschen Action auf der Bühne und Aphrodite DeVine ist für das Skurrile, Lustige zuständig und scheut sich nicht, mit einem umgebundenen Plüscheinhorn oder mit Clownsnase aufzutreten.

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Burlesque hat viele Facetten. Es geht weniger um das sexuelle Anheizen, mehr um die Unterhaltung. Ursprünglich stammt der Begriff aus dem Italienischen und bezeichnete parodistisches, groteskes Theater, burla bedeutet Schabernack. Als variete-artige Striptease-Show entwickelte sich Burlesque in den Zwanzigern bis in die Fünfziger. Seit einigen Jahren feiert das Genre mit dem Bekanntwerden der Tänzerin Dita von Teese ein Comeback.

Die Filly Follies brachten Burlesque als eine der ersten Gruppen nach München. Kennengelernt haben sich die drei jungen Frauen auf Swing- und Rockabilly-Partys. "Ich hatte vorher länger versucht, eine Burlesque-Gruppe auf die Beine zu stellen", sagt Aphrodite. "Aber alle, die ich gefragt habe, hatten Probleme mit ihren Problemzonen und nicht den Mut, sich auf eine Bühne zu stellen." Dabei kommt es beim Burlesque nicht auf den perfekten Modelkörper an. "Von hauchdünn bis unglaublich fett gibt es alles. Entscheidend ist die Ausstrahlung und die Bühnenpräsenz", meint Diva. Und Aphrodite erzählt, wie sie durch eine Fernsehdokumentation auf Burlesque aufmerksam wurde: "Da war eine überaus kurvige Frau mit knallroten Haaren, bekleidet mit nichts als einem grünen Glitzerstring und Pasties und schlug, mir nichts, dir nichts, auf der Bühne ein Rad. Da dachte ich: Wow, so schön und unverfroren möchte ich auch sein."

Tänzerisch vorbelastet sind alle drei: ChiChi kommt vom klassischen Ballett, Diva von Lindyhop und Swing, und bei Aphrodite waren sowohl die Mutter als auch die Tante Bauchtänzerinnen. Für die ersten Schritte im Burlesque ließen sie sich von der eigenen Phantasie und anderen Tänzerinnen inspirieren, übten zu Hause und im Tanzstudio, wie sich die Kostüme, die sie selbst nähen, am elegantesten öffnen und ausziehen lassen. "Ärmel sind schwierig", sagt ChiChi, "und Klettverschluss macht oft den Rest von Stoff kaputt." Diva sagt: "Eine Hose erotisch auszuziehen, ist fast unmöglich."

Ihren ersten Auftritt hatten sie als Geburtstagsüberraschung auf der Party einer Freundin, danach folgten Shows in der Rockabilly-Kneipe Tumult, im Backstage, im Paradiso, im Rationaltheater. Mittlerweile treten sie mit ihrer Show hauptsächlich in der Drehleier auf, lassen sich aber auch für Veranstaltungen wie Messen, Festivals und Junggesellenabschiede buchen - oder für die Firmenfeier der Verkehrsbetriebe Lüdenscheid. Die Tänzerinnen lachen, als sie davon erzählen, denn die Zuschauer, die nicht wussten, was sie erwartete, waren sichtlich erschüttert.

Dabei hatten die Filly Follies auf Wunsch des Veranstalters auf das Entblößen der Brüste verzichtet. "Natürlich haben wir uns daran gehalten, man kann auch schön Burlesque betreiben, ohne die Brüste zu zeigen", sagt Aphrodite. "Man kann den Fokus auf irgendein hervorstechendes Merkmal der Tänzerin richten. Das können auch lange, hochgesteckte Haare sein, die am Ende fallen. Oder der Po, der in einem freizügigen Höschen aufblitzt. Eben alles, was einen Reiz ausmacht, worauf man wartet: Seh' ich's jetzt, oder seh' ich's nicht?" Sie lacht. "Manche nennen das Veganer-Strip." Raffinierte, reduzierte, ironische Erotik statt Haudrauf-Porno-Ästhetik.

Diesen Unterschied muss man Menschen, die sich mit dem Thema nicht auskennen, erstmal erklären. "Mein Bruder dachte am Anfang, ich mache sowas wie Stripperin im Bahnhofsviertel und hat sich dafür geschämt", erzählt ChiChi. "Aber nachdem er einmal da war, hat es ihm gefallen." Die Freunde der Tänzerinnen haben auch kein Problem mit ihren Auftritten, und Eltern, Verwandte und Kollegen sitzen oft im Publikum.

Die meisten Fans der Filly Follies sind übrigens weiblich. "Es geht ja auch um das Zelebrieren der Femininität und nicht um Männerphantasien", meint ChiChi. "Im Gegensatz zur normalen Stripshow stellt sich die Frau beim Burlesque so dar, wie sie sich gerne sehen möchte und nicht, wie ein Mann sie sehen will." Aphrodite grinst. "Wobei es nicht so ist, dass Männer Burlesque nicht mögen. Es existieren durchaus auch Männer mit Geschmack und Sinn für Ästhetik."

Am 27. und 28. Mai treten The Filly Follies mit ihrer Show "Velvet Voyage" im Theater Drehleier auf.

© SZ vom 27.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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