Brexit-Sorgen der Hochschulen:Weniger Austausch

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Britische Universitäten wie Cambridge sind bei Münchner Studenten für Auslandssemester begehrt. Doch das Erasmus-Programm gibt es nur in der EU. (Foto: Bloomberg)

Nur EU-Mitglieder nehmen am Erasmus-Programm der Universitäten teil

Von Jakob Wetzel, München

Der Brexit träfe auch die Studenten: Bei ihnen sind britische Universitäten besonders beliebt. Etwa 1700 Studierende der beiden großen Münchner Universitäten haben das vergangene akademische Jahr mit dem Erasmus-Austauschprogramm der Europäischen Union im Ausland verbracht. 200 von ihnen, also mehr als jeder neunte, besuchten eine Universität auf der Insel: 110 von der Technischen Universität (TU), 90 von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Nach dem Brexit wäre es damit zunächst vorbei. Ein Austritt aus der EU bedeutet den Austritt auch aus dem Erasmus-Programm. "Ohne ein neues Abkommen wäre ein Austausch mit britischen Universitäten künftig ausgeschlossen", sagt Jean Schleiss. "Und das wäre schade, weil die Entwicklung in den vergangenen Jahren vielversprechend war."

Jean Schleiss, gebürtige Schottin, ist stellvertretende Leiterin des International Office der LMU. 750 bis 800 Studenten nehmen hier jährlich am Erasmus-Programm teil. Beliebtestes Partnerland ist Frankreich, gefolgt bereits von Großbritannien. Das Interesse der Studenten an einem Jahr im Vereinigten Königreich sei eigentlich noch größer, sagt Schleiss. Nur legten die Briten eben viel Wert darauf, dass im Gegenzug einer ihrer Studierenden zwei Semester lang nach München komme. Unter britischen Studenten aber sei die Nachfrage nach einem Auslandsjahr relativ schwach. "Zuletzt ist das Interesse aber größer geworden", sagt Schleiss. "Man hat dort viel getan, um das Erasmus-Ideal unter den Studenten zu verbreiten."

Und jetzt? Ob und wie es nach einem EU-Austritt weitergeht, ist offen. Es gebe Alternativen, sagt Schleiss: Norwegen etwa ist kein Mitglied der EU, aber Teil des Europäischen Wirtschaftsraums und trotz allem eng mit der EU verbunden; norwegische Universitäten nehmen am Erasmus-Programm teil. Und die Schweiz bezahlt ein eigenes Austauschprogramm mit der EU.

Konsequenzen hätte der Brexit auch für Uni-Mitarbeiter; nicht nur, weil sie ebenfalls am Erasmus-Programm teilnehmen dürfen, sondern auch, weil Wissenschaftler aus dem Vereinigten Königreich künftig Nicht-EU-Ausländer wären und nicht mehr einfach so an einer Münchner Universität arbeiten könnten; umgekehrt gilt dasselbe. Die wissenschaftliche Zusammenarbeit würde dadurch deutlich behindert, warnt die TU. Ansonsten aber würde sich in der Forschung wohl zunächst wenig ändern. Von der EU geförderte Projekte laufen in der Regel mehrere Jahre, das Geld wird gleich zu Beginn überwiesen - und in den ersten zwei Jahren nach der Volksabstimmung würden übergangsweise noch die alten Regeln greifen. Laufende Projekte mit britischen Universitäten würden "mit großer Wahrscheinlichkeit" nicht unter einem Brexit leiden, glaubt die TU. Im Fall der Fälle aber gebe es dann doch viele offene Fragen. Bei künftigen Forschungsanträgen würden sich Antragsteller aus der EU deshalb künftig wohl eher andere Partner suchen.

© SZ vom 20.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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