Braucht's des?:Kuschelecke

Foto: oh (Foto: N/A)

Man nehme einige Ballen Stroh und drapiere sie so, dass sie eine Art Lounge bilden. Fertig ist die so genannte "Stroh-Kuschelecke". Mit ihr als Alleinstellungsmerkmal wartet in Berlin die "Hauptstadtwiesn" gegen ein Dutzend weiterer Wiesnimitate auf, um sich den Ruf als originalster Originalnachbau der Münchner Bierzeltseligkeit zu erwerben. Bayern, Stroh, Anbandeln - diese drei Zutaten haben die Berliner Wiesn-Nachmacher zusammengeknetet. Doch heraus kommt dabei keine bayerische Spezialität, sondern ein Fremdkörper.

Warum? Weil es dem Erfinder an Wiesnerfahrung mangelt. Denn auf dem Fest der Feste wird nicht lange gefragt: "Hey, wollen wir vielleicht zusammen in die Kuschelecke gehen?". Da wird nach dem "Gsuffa" aus freier Seele losgeherzt, da findet der Arm die Nachbarhüfte ganz unbürokratisch dort, wo man gerade sitzt oder steht. Ein abgegrenztes Areal, in dem Hand zu Hand und Herz zu Herzen finden darf, widerspricht der bayerischen Seele. Wer in die Strohecke zum Kuscheln geht, der zündet sich seine Zigarette auch gern in abgegrenzten Raucherkästen an.

Die Kuschelecke soll also bleiben, wo sie ist. Denn wer erfolgreich im Zelt angebandelt hat, für den gibt es romantischere oder einfach näher liegende Orte als mit Bier besudelte Strohballen im Festzeltduft. Die Wiesn ist halt ein reines Exportgeschäft. Import, selbst aus der Hauptstadt, völlig überflüssig.

© SZ vom 29.09.2016 / kari - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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