Bildungsgerechtigkeit:Nachhilfe nötig

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Der Besuch einer Übergangsklasse führt selten zu höheren Abschlüssen. (Foto: Robert Haas)

Der vierte Münchner Bildungsbericht sieht zwar bessere Chancen für ausländische Schüler, der Stadtschulrat fordert aber noch mehr Unterstützung

Von Sven Loerzer, München

Nach wie vor bleiben ausländische Kinder und Jugendliche an den Schulen zurück. Als ausschlaggebenden Faktor dafür benennt der neueste Münchner Bildungsbericht, den Stadtschulrat Rainer Schweppe am Mittwoch dem Stadtrat vorlegt, die soziale Lage der Herkunftsfamilie. Positiv bewertet Schweppe, dass der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund an den kommunalen Gymnasien zuletzt um fünf Prozentpunkte gestiegen ist. Auch ist die Zahl der Jugendlichen, die ohne anerkannten Abschluss die Schule verlässt, im Fünf-Jahres-Vergleich weiter zurückgegangen: um 1,4 Prozentpunkte auf 6,0 Prozent.

Allerdings ist das Risiko ausländischer Schüler für den Abgang ohne Abschluss immer noch mehr als doppelt so hoch wie bei deutschen Schülern: 11,4 Prozent der ausländischen Schüler bleiben ohne Abschluss, bei deutschen sind es nur 4,7 Prozent. Die ungleichen Bildungschancen für Schulkinder mit und ohne Migrationshintergrund spiegeln auch die unterschiedlich hohen Anteile an den weiterführenden Schularten wider: Haben 44,3 Prozent der Grundschüler einen Migrationshintergrund, liegt der Anteil für die Mittelschule bei 65,7 Prozent, während es an den Gymnasien nur 18,7 Prozent sind.

Ziemlich stabil bewegt sich in den vergangenen Jahren die Übertrittsquote der Grundschüler eines Jahrgangs an das Gymnasium bei Werten um 54 Prozent. Die Übertrittsquote ausländischer Kinder steigt zwar, aber sie beträgt mit 30,9 Prozent nur gut die Hälfte der Quote bei den deutschen Kindern (58,8 Prozent). Aus dem Bildungsbericht geht deutlich hervor, dass in den Grundschulsprengeln mit hoher sozialer Belastung - geringe Kaufkraft, hoher Ausländeranteil und niedriger Bildungsstand in der Bevölkerung - auch zumeist die niedrigsten Übertrittsquoten zu finden sind. Die Sprengel liegen überwiegend im Norden der Stadt (Hasenbergl-Lerchenau Ost und Am Hart), im Osten (Messestadt Riem) im Süden (Neuperlach) sowie im Zentrum (Schwanthalerhöhe).

Die Stadt erhofft sich längerfristig, die Bildungsbenachteiligung abbauen zu können. Sie fördert deshalb in besonders stark belasteten Stadtvierteln Kindertagesstätten über die sogenannte Münchner Förderformel und Schulen über die bedarfsorientierte Budgetierung stärker. Auch der Staat habe zuletzt mit dem Integrationszuschlag an Grund- und Mittelschulen zusätzliche Lehrerstellen geschaffen, um benachteiligte Kinder besser fördern zu können, sagt Schweppe.

Vor eine neue Herausforderung sieht der Stadtschulrat das Bildungsreferat durch die Zuwanderung aus dem Ausland gestellt. Ob für diese Gruppe von Kindern und Jugendlichen die bisherigen speziellen schulischen Angebote wie etwa die Übergangsklassen ausreichen, erscheint Schweppe fraglich: "Ein Abschluss über dem erfolgreichen Mittelschulabschluss wird bisher nur selten erreicht." Gerade aber für Kinder, die erst nach der Grundschule nach Deutschland kommen, und für Jugendliche, die erst im berufsschulpflichtigen Alter zuwandern, dürften aufgrund des kurzen Schulbesuchs in Deutschland auch im Anschluss daran noch "nachholende Bildungsangebote oder Unterstützung bei einer Berufsausbildung notwendig" sein, sagt Schweppe.

© SZ vom 11.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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