Biergeschichte:Rheingold am Hudson River

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Mit jüdischer Braugeschichte beschäftigt sich das Jüdische Museum in seiner neuen Ausstellung. (Foto: Franz Kimmel)

Die Ausstellung "Bier ist der Wein dieses Landes" im Jüdischen Museum zeigt, wie jüdische Brauer auch nach der Emigration erfolgreich Getränke produzierten

Von Andreas Schubert

Wer sich wirklich für Bier und alles Drumherum interessiert, wird im Jubiläumsjahr des Reinheitsgebots mit Infos nachgerade zugeschüttet. Nur eine Woche, nachdem im Stadtmuseum am St.-Jakobs-Platz die Ausstellung "Bier. Macht. München" eröffnet hat, startet an diesem Mittwoch im Jüdischen Museum direkt gegenüber eine weitere Ausstellung zum Thema Bier. "Bier ist der Wein dieses Landes - Jüdische Braugeschichten" heißt die neue Ausstellung, die vom 13. April bis 8. Januar 2017 zu sehen ist. Und laut Bernhard Purin, dem Direktor des Jüdischen Museums, ergänzen sich die beiden Ausstellungen bestens. Es sind zu ausgewählten Terminen sogar kombinierte Führungen durch beide Bierschauen vorgesehen.

In der Tat ist die Schau eine Ergänzung - und mehr als das. Kurzzeitig dachte man zwar über eine gemeinsame Ausstellung mit dem Stadtmuseum nach - aber obwohl München und Bayern eine prominente Rolle spielen, wollten und konnten sich Bernhard Purin und Lilian Harlander bei der Konzeption nicht auf München beschränken. Das wäre auch ein Verlust gewesen, zu breit ist das Spektrum der interessanten Geschichten, die die Macher der Öffentlichkeit vorstellen. Das geht schon mit der Geschichte des Bieres los. Den Besuchern wird veranschaulicht, welche Rolle das Bier in der jüdischen Tradition über die Jahrtausende gespielt hat. Auf zwei Stockwerken wird diese Geschichte von der Antike bis zu Gegenwart erzählt. Angefangen vor 3000 Jahren, als die Israeliten das Bierbrauen von den Ägyptern gelernt haben, bis hin zur überaus regen Craft-Beer-Szene im heutigen Israel.

Man lernt, dass die im Bier verwendeten Zutaten (wenn es nach Reinheitsgebot gebraut ist) den rituellen Speisegeboten entspricht. Nur an Pessach, an dem alles Gesäuerte verboten ist, dürfe kein Bier getrunken werden, da es vergoren ist.

Weiterhin erzählt die Ausstellung, was ein oberpfälzischer Zoigl - das mittelalterliche Symbol der Brauer - mit dem Davidstern zu tun hat. Beide Symbole sehen sich zum Verwechseln ähnlich und haben sich etwa zur gleichen Zeit von Böhmen nach Westen verbreitet. Auch die Geschichte des bayerischen Hopfenhandels wird beleuchtet, in dem jüdische Kaufleute vom 15. Jahrhundert bis zur Zeit des Nationalsozialismus eine führende Rolle spielten. Vor allem Nürnberg nahm im 19. und frühen 20. Jahrhundert eine bedeutende Stellung beim Hopfenhandel ein. Auch das Gewerbe der Bierkrugveredler war weitgehend in jüdischer Hand. Bernhard Purin hat für das Museum eine veritable Ansammlung an seltenen und wertvollen Krügen angeschafft, die die Kreativität und die Vielfalt der Bierkrugveredler zeigen. Gerade im 19. Jahrhundert war ein besonderer und individueller Bierkrug sowohl Statussymbol als auch Zeichen der politischen Gesinnung so manchen Wirtshausgastes.

Einen Schwerpunkt der Ausstellung bilden die jüdischen Brauereien in München und im Umland. So gründete im Jahr 1836 der jüdische Freiherr Jakob von Hirsch in Planegg die Schlossbrauerei, die damals einer der modernsten Braubetriebe war - und 1928 von Pschorr übernommen wurde. In dem Gebäude der ehemaligen Brauerei ist heute ein Magazin der Bayerischen Staatsbibliothek untergebracht.

Eine andere jüdische Brauergeschichte ist die der Familie Schülein. 1895 gründete der aus Mittelfranken stammende Josef Schülein die Unionsbrauerei, die bald zu einer der größten Brauereien Münchens avancierte. 1921 fusionierte die Unionsbrauerei mit Löwenbräu. Während sich Josef Schülein nach Kaltenberg zurückzog, um dort privat Bier zu brauen, wurde sein Sohn Hermann Schülein Generaldirektor der Löwenbräu AG.

Nachdem er von den Nationalsozialisten gezwungen worden war, seinen Chefposten bei Löwenbräu zu räumen, emigrierte Hermann Schülein 1936 in die USA, wo ihn die New Yorker Liebmann Brewery zum Direktor machte. Einen Raum im zweiten Stock des Museums hat der Wiener Architekt Martin Kohlbauer wie ein kleines Kino gestaltet. Dort ist die Geschichte des von Schülein erfundenen Bieres "Rheingold" zu sehen, das in den 1950er Jahren eines der erfolgreichsten Biere der Stadt war. Bei der Wahl zur Miss Rheingold wurden in den Fünfziger- und Sechzigerjahren angeblich mehr Stimmen abgegeben als bei der Wahl des US-Präsidenten.

Die Gegenwart wird nicht zuletzt mit einem Blick auf die Craft-Beer-Szene eingebunden. Eigens für die Ausstellung haben der Jerusalemer "Herzl Beer Workshop" und die Münchner Craft-Brauer von Crew Republic ein "Collaboration Brew" entworfen. Das Bier zur Ausstellung - wo gibt es das schon? Und im Laufe des Jahres werden im Museum zahlreiche Veranstaltungen zum Thema Bier stattfinden, unter anderem mit einer Brauvorführung.

Empfohlen sei übrigens der umfangreiche und lesenswerte Ausstellungskatalog (erschienen im Volk Verlag, 256 Seiten, 29,90 Euro). Die Ausstellung ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Weitere Informationen im Internet unter www.juedisches-museum-muenchen.de.

© SZ vom 12.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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