Benefizkonzert für das SZ-Hilfswerk:Euphorie und Empathie

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Anne-Sophie Mutter, Maximilian Hornung und die BR-Symphoniker unter Mariss Jansons bringen selbst das zurückhaltende Münchner Publikum zum Jubeln und spielen 120 000 Euro für den SZ-Adventskalender ein.

Von Rita Argauer

Nach dem ersten Satz flirrt es im Parkett: "Wahnsinn", zischt eine Dame leise, fast erschreckt darüber so laut zu sein. Doch eigentlich wäre es schön, der Wunsch Anne-Sophie Mutters würde sich erfüllen und das Publikum würde sich trauen seine Begeisterung mehr zu zeigen. Im Interview mit der SZ hatte die Künstlerin erklärt, man könne auch als Besucher klassischer Konzerte aufspringen und jubeln, wenn einem danach sei - und vielleicht zwischen den Sätzen spontan klatschen. Und nach dem ersten Satz des Brahms-Doppelkonzertes, den Anne-Sophie Mutter und Maximilian Hornung zusammen mit den Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks in höchster Präzision und dennoch energetisch, lustvoll und mitreißend spielten, würde ein laut jubelndes Publikum durchaus der Stimmung im Herkulessaal entsprechen.

Die ist ohnehin schon ausreichend festlich-euphorisch. Denn das Konzert ist schon ein Gewinn, ehe es richtig begonnen hat. Anne-Sophie Mutter, Maximilian Hornung und Chefdirigent Mariss Jansons mit seinem Orchester spielen für den guten Zweck, für den SZ-Adventskalender und sein Projekt "Musik für alle Kinder". Dabei werden Initiativen unterstützt, die Kinder aus ärmeren Familien den Zugang zu Musikunterricht ermöglichen möchten und die Kraft der Musik für Integrations- und Inklusionsprojekte nutzen. Jansons und sein Orchester waren wichtige Initiatoren für die Aktion des SZ-Adventskalenders, dem lettischen Dirigenten liegt musikalische Frühförderung genauso am Herzen wie den beiden Solisten . Ein gemeinsames Konzert lag da nahe und - da alle auf ihre Gagen verzichteten - der Erfolg ebenso: Rund 120 000 Euro spielte der Abend für den SZ-Adventskalender ein.

Natürlich auch, weil der Name Anne-Sophie Mutter bei den Münchnern besonders zieht. Dass sie eine großartige Musikerin ist, ist hinlegend bekannt. Doch überrascht zeigen sich einige Hörer über das Talent von Maximilian Hornung. Komplimente hagelt es für den jungen Augsburger Cellisten: "Ein charmanter junger Mann, der mit einer beeindruckenden Selbstsicherheit mit so einer Berühmtheit zusammen spielt", heißt es etwa von einer Zuhörerin. Ja, Hornung ist sich sicher in dem was er tut. Und ist er in der Lage, sein Spiel zu gestalten. Seine Virtuosität und seine Technik dienen dabei nicht dem Selbstzweck. Vielmehr fügt er dem musikalischen Dialog mit Mutter selbstbewusst eigene Farben und einen eigenen Ausdruck hinzu.

Mutter und Hornung spielen eng zusammen und nah aufeinander abgestimmt. Sie kennen sich gut, Hornung ist Stipendiat in Mutters Nachwuchsstiftung, musikalisch liegen sie auf einer Wellenlänge. Diese Harmonie ist sichtbar: Etwa, wenn Mutter ihren Stipendiaten in einem Orchesterzwischenspiel des zweiten Satzes anlächelt und sich zu ihrem sitzenden Kollegen herunter neigt, bevor sie gemeinsam wieder einsetzen. Im ersten Satz voller Energie in einem aufregenden Vexierspiel zwischen Tragik und Leichtigkeit, im zweiten auf der Suche nach einem schimmernden Idyll, um schließlich kühner und neckischer in das Finale einzusteigen.

"Es ist schwer, nach einem Konzert etwas zu sagen", sagt eine Zuschauerin, "man ist immer so erschlagen". Das hält sich auch bei Sibelius zweiter Symphonie. Mariss Jansons und seine Musiker bestätigen hier noch einmal stärker, was ein Hörer schon nach Brahms' Doppelkonzert feststellte: "Das Orchester hat wirklich einen eigenen Klang." Und bei Sibelius zeigen gerade die Streicher ein fahles, besonderes Klangbild, das über das Stück hinweg angefüllt wird, aber immer etwas Durchscheinendes behält. Diese Interpretation hat etwas sehr modernes, die Energie der Komposition kann sich im Raum durchsetzen, ohne in schweres Pathos zu verfallen.

Das wäre an diesem Abend auch zu viel geworden, denn die Temperatur im restlos ausverkauften Herkulessaal ist gegen Ende unangenehm warm, was von einigen im Publikum bemängelt wird - die vielen Menschen und die Scheinwerfer für die TV-Aufzeichnung und Video-Livestream haben den Raum aufgeheizt. Dennoch hat der ungeliebte Saal auch im großbesetzten Sibelius noch einen erstaunlich schönen und differenzierten Klang. Und am Ende eine Atmosphäre, die man hier nur selten erlebt und die ganz im Sinne von Anne-Sophie Mutters Aufforderung zu mehr Empathie im Konzertsaal ist. Die 1500 Gäste jubeln laut, viele applaudieren im Stehen, wozu der distinguierte Münchner Konzertbesucher ja sonst eher nicht neigt. Aber an diesem Abend kann er sich ja auch doppelt freuen: bei einem ganz besonderen Musikereignis dabei gewesen zu sein und damit auch noch geholfen zu haben.

Mehr Informationen zu "Musik für alle Kinder" gibt es unter www.sz-adventskalender.de

© SZ vom 16.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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