Ausstellung in Israel:Von den Geschwistern Scholl lernen

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Im Widerstand engagieren sich Sophie Scholl mit Hans Scholl (l.) und Christoph Probst. (Foto: AFP)

Die Weiße-Rose-Stiftung zeigt ihre Ausstellung über den Widerstand von Münchner Studenten gegen die Nationalsozialisten erstmals in Israel

Von Franziska Brüning, Silke Lode

Vor zwölf Jahren, mehr als fünf Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, hat die Weiße-Rose-Stiftung schon einmal versucht, ihre Wanderausstellung in Israel zu zeigen. Aber es gibt Projekte, die brauchen einfach noch mehr Zeit. Zeit und vor allem den richtigen Partner. Nicht weil die Ausstellung so groß, so wertvoll oder so aufwendig ist. Schautafeln mit Fotografien und Biografien, die Flugblätter der Weißen Rose - um viel mehr Material geht es nicht. Allein im vergangenen Jahr war die Dokumentation über die Aktivitäten der Münchner Studenten, die im Februar 1943 von der Gestapo verhaftet und unmittelbar danach umgebracht wurden, in den USA, in Polen, Russland, Frankreich, Brasilien und Italien gezeigt worden.

Aber noch nie in Israel. "Meine Versuche, über eine Universität oder eine NGO unsere Ausstellung zu platzieren, waren versandet", erinnert sich Hildegard Kronawitter, die Vorsitzende der Weißen Rose Stiftung. Auch Wolf Iro, Leiter des Goethe-Instituts in Israel, berichtet, wie seine Kollegen vor zwölf Jahren vergeblich nach einem Partner gesucht hatten. Das Problem war nicht die Weiße Rose Ausstellung an sich, sondern das ganze Thema. Weder Wolf Iro noch Hildegard Kronawitter oder einer der Unterstützer in den bayerischen Behörden kann sich daran erinnern, dass in Israel je eine Ausstellung über deutschen Widerstand gegen das NS-Regime gezeigt wurde.

"In Israel hat die Erinnerung an die Shoa eine sehr viel stärkere Bedeutung. Über Widerstandskämpfer in der Nazizeit zu berichten, ist hingegen nicht so üblich", erklärt Iro. Für ihn ist das verständlich, zumal der deutsche Widerstand nicht in Reaktion auf das Menschheitsverbrechen Shoa stattgefunden habe, sondern sich gegen etwas anderes gerichtet habe. Die Weiße Rose ist da eine Ausnahme: "Sie war das einzige Widerstandsprojekt, das den Mord an den Juden überhaupt erwähnt und zu einem Motiv ihres Handelns macht", sagt Iro.

Trotzdem wäre es für das Goethe-Institut nie in Frage gekommen, die Ausstellung ohne einen israelischen Partner zu zeigen. Schon allein, um Missverständnissen vorzubeugen. "Eine Gefahr wäre, dass man das Ganze als eine Art Rehabilitation empfände", sagt Iro. Ähnliche Gedanken hat sich auch Hildegard Kronawitter gemacht: "Wir wollen nicht, dass der Eindruck entsteht, man wolle Ausmaß und Schrecken des Holocaust relativieren."

Yariv Lapid treiben solche Sorgen nicht um. Er ist mit dem Ghetto Fighters House der Projektpartner, auf den die Weiße Rose Stiftung so lange gewartet hat. Den Anschub für das besondere Projekt hat ein besonderes Datum gebracht: Um die seit 50 Jahren bestehenden diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel zu feiern, hat das Auswärtige Amt zusammen mit dem Goethe Institut nach Bewerbern für bilaterale Projekte gesucht. Über einen persönlichen Kontakt zwischen der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildung zu Yariv Lapid und zu Hildegard Kronawitter kam die Kooperation zustande. Dass in Israel bis heute noch nie eine Ausstellung gezeigt wurde, die den deutschen Widerstand thematisiert, war Lapid zunächst gar nicht bewusst gewesen. "Das Konzept der Weiße Rose Ausstellung hat einfach zum Konzept unserer Einrichtung gepasst", sagt Lapid.

Das Ghetto Fighters House wurde 1949 von den Bewohnern eines Kibbutz' gegründet, in dem eine Gruppe von Holocaust-Überlebenden wohnte. Einige von ihnen hatten zuvor im Warschauer Ghetto gelebt. Das zwischen Akko und Naharija gelegene Museum war das erste in Israel, das der Holocaustopfer und des jüdischen Widerstands gedachte. Von Anfang an hat sich das Ghetto Fighters House um Bildungsarbeit bemüht, heute ist Yariv Lapid für diesen Bereich zuständig.

"Wir verfolgen ein humanistisches Ziel. Menschen können Entscheidungen treffen. Unser Ziel ist, dass die Menschen die bessere Entscheidung treffen", erklärt er. Lapid geht es nicht darum, möglichst viele Fakten über den Holocaust zu vermitteln, sondern darum, bestimmte Verhaltensmuster zu finden, aus denen sich lernen lässt. Die Münchner Studenten der Weißen Rose sind für ihn da ein gutes Beispiel: "Es geht um junge Leute in einer sehr extremen Situation. Sie verlieren alles, weil sie das tun, was sie für richtig halten. Und sie agieren komplett gegen den Mainstream. Was sie taten, war unpopulär und brachte ihnen keinerlei Applaus ein."

Zwei Workshops für seine Schüler hat Lapid schon entwickelt, die eigentliche Ausstellung wird von diesem Sonntag an im Ghetto Fighters House zu sehen sein. Allerdings nicht im Museum: Wenn sich Yariv Lapid, Iro Wolf und Hildegard Kronawitter zur Vernissage mit dem Deutschen Botschafter und anderen Gästen treffen, werden sie im Seminargebäude sein. Dort, wo die eigentliche Bildungsarbeit stattfindet.

© SZ vom 14.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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