Ausstellung eröffnet:Deportiert und ermordet

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Weiße-Rose-Stiftung gedenkt in Kaunas jüdischer Münchner

Von Jakob Wetzel

Der Ort steht für den Massenmord an den europäischen Juden, auch der aus München. Jetzt soll hier über den deutschen Widerstand gegen das Hitler-Regime informiert werden: Am Dienstagabend eröffnete Hildegard Kronawitter, die Vorsitzende der Münchner Weiße-Rose-Stiftung, eine Ausstellung in Kaunas. In der Nähe der litauischen Stadt waren im Jahr 1941 etwa 1000 jüdische Münchner ermordet worden. Die Ausstellung in einem Kulturzentrum der Stadt soll für mindestens sechs Wochen zu sehen sein. Normalerweise fahre sie nicht zu Ausstellungseröffnungen, sagt Kronawitter - ihre Stiftung, die hauptsächlich die Denkstätte Weiße Rose in der Ludwig-Maximilians-Universität betreibt, organisiert seit Jahrzehnten Ausstellungen auch im Ausland, seit mehreren Jahren auch im Baltikum. Nach Kaunas gehe sie aber doch: Auch, um als Münchnerin für diese Gelegenheit Danke zu sagen.

Kaunas ist das Ziel der ersten großen Deportation aus München gewesen. Am 20. November stiegen 1000 hauptsächlich aus München stammende Juden, darunter 94 Kinder, in Milbertshofen in einen Zug der Reichsbahn Richtung Norden. Zunächst sollte es nach Riga gehen, weil aber das dortige Ghetto überfüllt war, wurde das Ziel nach der Abfahrt geändert. Die Fahrt dauerte drei Tage. In Kaunas wurden die Münchner durch das ebenfalls überfüllte Ghetto in eine alte Festung aus dem Zarenreich getrieben, die sechs Kilometer vor der Stadt lag und von den Sowjets zum Gefängnis umgebaut worden war. Dort wurden sie zwei Tage in die Zellen gesperrt und schließlich am 25. November von SS-Leuten erschossen.

Im "Fort IX", dem Schauplatz dieses Massenmordes, wurden Zehntausende Juden ermordet. Heute befindet sich dort eine Gedenkstätte; im Jahr 2000 stiftete die Stadt München ihren ermordeten Bürgern dort ein Denkmal. Die Ausstellung im Kulturzentrum in Kaunas hat nun die Weiße-Rose-Stiftung gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde Kaunas und der Friedrich-Ebert-Stiftung organisiert, die sich auch um die Übersetzung der Ausstellungstafeln ins Litauische gekümmert hat. Der Repräsentant der Stiftung in Lettland, Werner Rechmann, ist im Vorstand der Weiße-Rose-Stiftung. Die Möglichkeit, in Kaunas zu sprechen, erfülle sie mit Dankbarkeit, sagt Kronawitter: "Weil wir zeigen können, dass es auch Widerstand gegeben hat. Er war vereinzelt und fand wenig Anklang. Aber es hat ihn gegeben."

© SZ vom 06.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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