Ausstellung:Die Stimmen dieser Münchner kennen Sie bestimmt

Der Fotograf Marco Justus Schöler hat die bekanntesten deutschen Synchronsprecher porträtiert.

Von Philipp Crone und Michael Bremmer

Claudia Urbschat- Minguess spricht Angelina Jolie

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(Foto: ipad)

Wenn man so will, verbringen viele Menschen den Feierabend mit der Schauspielerin Claudia Urbschat-Minguess, 46. Abend für Abend. Wenn man so will, ist es eine Zeremonie - gut, nennen wir es Routine. Seit April 2014 taucht Urbschat-Minguess allabendlich um 20 Uhr im Wohnzimmer auf und sagt jedes Mal den gleichen Satz mit einer gewissen Form der Strenge: "Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau." Hört man bei der Begrüßung genau hin, achtet man auf das Fordernde, auch auf die warme Stimmfarbe, das Einladende, dann folgt eine gewisse Irritation: Ist das nicht Angelina Jolie? Oder Catherina Zeta-Jones? Oder Jennifer Connely? Kann natürlich nicht sein. Ist aber trotzdem irgendwie die Wahrheit: Claudia Urbschat-Minguess, die seit zwei Jahren zur Tagesschau begrüßt, leiht auch einigen Hollywood-Schauspielerinnen ihre Stimme. Aber: Auch wenn Synchronsprecherin Urbschat-Minguess selbst einmal in einem Interview gesagt hat, dass sie ein Türsteher eines Berliner Clubs wegen ihrer Jolie-Stimme auf die VIP-Liste setzte, gibt es in diesem Business keine Spur von Glamour. In einem Interview mit der SZ nannte sie das Ganze einmal "Fließbandarbeit" - sie bekommt zehn Sekunden eine Sequenz zu sehen, danach hat sie zwei Minuten Zeit für den Take. "Ein Synchronstudio ist wie eine Höhle: ein abgeschotteter, dunkler Raum, in dem alle Anwesenden - Regisseur, Toningenieur, Cutter und ich - für die hell erleuchtete Figur auf der Leinwand oder dem Fernseher arbeiten." Eine Arbeit, für die die Synchronsprecher am Ende nicht mal im Abspann eines Filmes auftauchen. "Die Wertschätzung für unseren Beruf fehlt", sagt sie.

Sabine Bohlmann spricht Lisa Simpson

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(Foto: ipad)

Eine hohe Stimme ist natürlich die Grundvoraussetzung, um Lisa Simpson zu sprechen, die achtjährige Tochter der "Simpsons". Allerdings ist die Kombination aus hoher Stimme und einem Lebensalter von 46 Jahren geradezu perfekt für die Rolle. Denn Lisa ist ja die oberschlaue Besserwisserin, in der Hinsicht kann man Lebenserfahrung gut gebrauchen. Seit 26 Jahren spricht Bohlmann die Lisa Simpson, sie hatte da eine Lücke bei den Synchronsprechern erwischt. Denn obwohl es Hunderte Sprecher und Sprecherinnen gibt, gab es damals "für Menschen mit sehr hoher Stimme eine Marktlücke", sagt Bohlmann. Ein wenig erinnert das an den Schauspieler Hans Clarin, der ja auch immer dem Kobold Pumuckl seine Stimme lieh. Bohlmann war allerdings von der Anfrage zunächst gar nicht angetan. "Diese hässlichen gelben Gesichter!" Zu der Zeit waren Zeichentrickfilme ja meist noch ganz wunderschön gezeichnet und nicht so skizzenhaft wie in der Serie von Matt Groening. Sie ging vom Casting nach Hause und hoffte, den Job nicht zu bekommen. Doch sie bekam die Rolle und war schnell begeistert von der "wahnsinnig intelligenten Serie". Wenn Bohlmann normal spricht, so hoch, dann ist das ja noch nichts gegen Lisas Stimme, die noch viel höher ist. So etwas kann sie durchaus nutzen. Sabine Bohlmann hat mal an einer Umfrage am Telefon teilgenommen und sich als Kind ausgegeben. Ihre eigenen Kinder sind 18 und 20 Jahre alt, die hätten diesen Scherz nicht hingekriegt. Schauspielerin hätte Bohlmann werden wollen, es reichte aber nur für Rollen in "Marienhof". Mittlerweile schreibt sie Bücher, Kinderbücher. Die Hörbücher dazu spricht sie selbstverständlich selbst.

Max Felder spricht Taylor Lautner

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(Foto: ipad)

Max Felder, 27, beherrscht die Posen: Er kneift lachend die Augen zusammen. Er zieht das Sakko vor sein Gesicht. Er fährt sich mit der rechten Hand durchs Haar. Zwölf Fotos sind auf der Homepage des Schauspielers und Synchronsprechers zu sehen, in der Vita werden dann nur seine Filmrollen genannt - das alles ist jetzt für einen Schauspieler seines Alters nicht schlecht, aber wenn man ehrlich ist: Sein wahres Metier ist das Synchronsprechen. 170 Sprechrollen werden bei Max Felder in der Synchronkartei aufgelistet - unter anderem für: Rupert Grint, den man als Ron Weasley in den Harry-Potter-Filmen kennt; Corbin Bleu in der Reihe "High School Musical"; Taylor Lautner als Jacob Black in der Hollywood-Vampir-Reihe "Twilight". Und doch hat alles mit der Schauspielerei angefangen. Ohne jede Erfahrung ging er zum Casting für den Kinofilm "Pünktchen und Anton" und bekam die Hauptrolle. Neun Jahre war er damals alt: "Das war Glück. Ich bin da reingerutscht", sagte er einmal der SZ. Als er zehn Jahre alt war, meldete sich dann Disney bei ihm. Er wurde gefragt, ob er den jungen Tarzan synchronisieren wolle - "ich bin da genauso blauäugig rangegangen wie beim Film". Mittlerweile hat er, wie er häufig erzählt, eine gewisse Routine gefunden und findet sich schnell zurecht in neuen Rollen. Aber einmal, 2004, da ging er an seine Grenzen. In dem italienischen Spielfilm "Die Hausschlüssel" sprach er Paolo, einen körperlich und geistig behinderten Jungen: "Man merkt, dass ihn im Laufe des Tages die Kraft verlässt. Dann wird es schwieriger mit dem Reden und seinen Bewegungen. Das war eine der schwierigsten Arbeiten", sagte Felder.

Sandra Schwittau spricht Bart Simpson

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(Foto: ipad)

Es ist ein leichtes Federn in den Knien, die Schultern werden durchgedrückt, die Augen ein wenig nach oben gerollt: Wenn Sandra Schwittau, 48, Bart Simpson einspricht, ist das ein Ganzkörper-Projekt. Vor ihr hängt der Bildschirm, auf dem der Zeichentrickfilm läuft, auf dem Pult liegt das Manuskript, und die Schauspielerin beginnt gerade sich selbst zu würgen, um so liebenswert zu knödeln, wie man es von Bart Simpson kennt. Es ist, so sagte Schwittau einmal in einem Fernsehbeitrag, ihre Lieblingsrolle. "In jedem steckt ein wenig Bart Simpson", sagt sie, "also so weit ist der nicht von mir weg." Gut, es gibt andere Sprechrollen, auf die die meisten Schauspielerinnen vermutlich stolzer wären. Schwittau spricht Eva Mendes, Hilary Swank, Jenifer Lewis, Noomi Rapace - aber nein: Bart Simpson ist für die Münchnerin etwas Besonderes. Seit dem deutschen Start der Serie "Die Simpsons" 1991 ist Schwittau die Stimme von Bart. "Schauspielerisches Können ist eine Grundvoraussetzung für den Job des Sprechers, denn man muss ja die Stimme glaubwürdig transportieren", sagt sie. Dass sie damals als Frau den Part eines Jungen übernommen hat, liegt an den Arbeitsauflagen bei Jugendlichen - damals wurde beim Casting gleich nach einer Frau gesucht, die Entscheidung ist dann bei der Produktionsfirma in den USA gefallen: "Die Stimme sollte so nah wie möglich am Original sein. Und das war dann wohl meine", sagte Schwittau einmal der SZ. Und trotzdem blieb eine Schwierigkeit; Bart Simpson rülpst mindestens jede Folge einmal, und das war anfangs ein Problem für die Schauspielerin: "Damals konnte ich es nicht, aber mittlerweile rülpse ich mit Perfektion."

Gabrielle Pietermann spricht Emma Watson

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(Foto: ipad)

Zaubern? Muss Gabrielle Pietermann, 28, überhaupt nicht können. Auch der Text ist nicht das Problem gewesen, wenn die Synchronsprecherin Emma Watson oder vielmehr Hermine in den Harry-Potter-Filmen ihre Stimme schenken musste. Die größte Herausforderung sei immer das Atmen gewesen, sagte Pietermann einmal in einem Interview. "Hermine atmet sehr viel, die Hauptdarsteller laufen in diesen Filmen sehr viel herum. Man sieht es ihnen an den Schultern an, die bewegen sich ständig. Die Atmung muss deswegen hundertprozentig sitzen. Wer in Eile ist, atmet nicht ruhig ein und aus, die Atmung ist total abgehackt." Für Schauspieler ist das kein Problem, die rennen ja auch in diesem Moment. Der Synchronsprecher muss das imitieren - ein Spurt in der Sprecherkabine ist ausgeschlossen, die ist zu klein. Was hilft? "Im Vorfeld hektisch ein- und auszuatmen, zu hyperventilieren", sagt Pietermann. Und sie bewegt ihren Oberkörper während des Einsprechens - aber ohne Geräusche dabei zu machen. Aufgewachsen ist die gebürtige Münchnerin in einem kleinen idyllischen Dorf im Landkreis Mühldorf. Mit acht Jahren erhält sie Sprachunterricht an einem Theater in München und sammelt ihre ersten Erfahrungen auf der Bühne, als sie den "Kleinen Prinzen" von Antoine de Saint-Exupéry in einer kreativen Lesung spielt. Gleichzeitig beginnt 1996 ihre Arbeit als Synchronschauspielerin. Als 13-Jährige hat sie begonnen, Emma Watson zu synchronisieren. Damals konnte kaum einer ahnen, dass aus der Zauberschülerin ein Hollywood-Star wird. Und auch Gabrielle Pietermann hat diese Sprechrolle nicht geschadet. Sie leiht ihre Stimme auch Selena Gomez und Anna Kendrick.

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(Foto: dpa)

Seit Dienstagabend, 3. Mai, ist die Ausstellung "Faces Behind The Voices" des Berliner Fotografen Marco Justus Schöler in München zu sehen. Er hat dafür in den vergangenen Monaten 30 der bekanntesten deutschen Synchronsprecher abgelichtet. Bekannt sind sie allerdings nur für ihre Stimmen. Bis zum 12. Mai sind die Bilder am Münchner Hauptbahnhof ausgestellt. Dann wird Ausstellung bis Ende August in sieben weiteren Städten zu sehen sein. Zudem gibt es einen Fotoband und eine kostenlose App gleichen Namens. Schöler hatte die Idee, als er mit seiner Freundin den Film "Shutter Island" im Kino sah. Er selbst kannte den Film schon auswendig, und scrollte auf seinem Handy herum, als ihm am Ende bei einem langen Monolog von Leonardo DiCaprio dessen Synchronstimme auffiel. Wie das Gesicht dazu wohl aussieht, fragte er sich. Er recherchierte, merkte allerdings schnell, wie schwer es ist, die Synchronstimme zu finden. Schöler verschickte 80 Einladungen an die bekanntesten Stimmen, etwa die von Daniel Craig, Nicolas Cage, Eva Mendes, Cameron Diaz oder Gwyneth Paltrow, bekam allerdings nur vier Antworten. Die Branche ist gespalten, was Aufmerksamkeit angeht. Auf der einen Seite möchte man auf das hochwertige Handwerk aufmerksam machen. Allerdings gab und gibt es auch Ängste, ob es nicht schaden würde, wenn die Zuschauer plötzlich nicht nur die deutschen Stimmen von Angelina Jolie oder Bruce Willis erkennen, sondern dann auch automatisch an deren Gesichter denken. "Das glaube ich kaum", sagt der 26-jährige Schöler. Auf der Seite facesbehindthevoices.de gibt es weitere Informationen.

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