Aus der Erinnerung:Besondere Merkmale

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Johanna Schwaier erstellt Phantombilder für die Fahndung

Von Günther Knoll, München

Mit einem Bild räumt Johanna Schwaier gleich zu Beginn auf: Zeichnen mit Bleistift und Papier - das gibt es nicht mehr, wenn im bayerischen Landeskriminalamt (LKA) in München Phantombilder angefertigt werden. "Ein Porträt zeichnen und immer wieder radieren, dafür wäre die Zeit gar nicht da und es würde den Zeugen auch nur ermüden", sagt die junge Frau. Stattdessen arbeitet die Polizei mit modernster Technik, mit Vorlagen am Computerbildschirm. Doch ganz ohne Handarbeit geht es dann doch nicht, denn ein modernes Tablet und ein Stift gehören dazu, wenn ein möglichst treffendes Bild für die Fahndung nach einem Täter angefertigt wird. Es gehe darum, die besonderen Merkmale herauszuarbeiten, das Bild solle schließlich "eine Typisierung" sein. "Das geht schon in die gezeichnete Richtung", beschreibt Johanna Schwaier ihre Tätigkeit.

Für diese Stelle im LKA hat sich die Grafikdesignerin nach dem Studium und der Arbeit in verschiedenen Werbeagenturen vor vier Jahren beworben. Sie habe eine "sinnstiftende Tätigkeit gesucht und mit Menschen arbeiten wollen", beschreibt die junge Frau ihre Motivation. Jetzt arbeitet sie zusammen mit einer Kollegin, die ebenfalls aus dem Grafikgewerbe kommt, bei der Fahndung mit. Polizistin sei sie aber nicht, betont sie, und bezeichnet sich selbst als "Schnittstelle" zwischen Zeugen und Polizei, die sie mit ihrer Arbeit bei den Ermittlungen unterstütze. In manchen Fällen sei dafür die Erinnerung eines Zeugen der einzige Anhaltspunkt, und da sei es sehr wichtig, "dass das jemand bildlich umsetzen kann".

Von ihrem erlernten Beruf kann Johanna Schwaier da natürlich profitieren. Trotzdem habe sie, als sie beim LKA anfing, erst einmal bei "einer erfahrenen Kollegin in einem anderen Bundesland" hospitiert, berichtet sie. Dann folgten Versuche im Kollegenkreis, ehe sie ihr erstes wirkliches Phantombild für die Fahndung anfertigte. Schließlich gehe es um jedes Detail. "Da wird so lange gearbeitet, bis der Zeuge zufrieden ist", und das könne dauern. Als das "Allerwichtigste" bezeichnet Schwaier es, dass ein Zeuge freiwillig komme. Und dann gelte es, für ihn eine persönliche Atmosphäre zu schaffen, indem man ihn mit offenen Armen empfange und sich bei der Arbeit am Bild nach seinem Tempo richte. Dabei kommt der Polizeizeichnerin nach eigenen Angaben auch ihre Zusatzausbildung als Yogalehrerin und systemischer Coach zugute.

Doch manchmal führt all das doch zu keinem brauchbaren Ergebnis. Wenn ein Zeuge bei der Beschreibung der wichtigen Gesichtspartien Augen, Nase und Mund ständig hin und her springe und sich widerspreche, dann merke sie, dass mit dem Erinnerungsvermögen etwas nicht stimme, sagt Johanna Schwaier, und dann sei es manchmal einfach besser aufzuhören. "Denn meine Arbeit kann nur so gut sein wie die Erinnerung des Zeugen." Künstlerische Freiheit sei da vollkommen fehl am Platz, denn das würde die Fahndung nur erschweren, ein gewisser "künstlerischer Blick" auf bestimmte Charakteristika aber sei schon nützlich.

Etwa 20 bis 30 Fahndungsbilder fertigt die Grafikerin auf diese Weise jährlich an. Und sie freut sich über "positive Rückmeldungen", wenn mithilfe eines solchen Bildes eine Fahndung auch Erfolg hat. Den Wert ihrer Arbeit erkennt Schwaier aber auch daran, dass sich so mancher Zeuge deutlich erleichtert zeige, wenn das Bild im Computer sei und es mit seiner Erinnerung übereinstimme. Schließlich hätten diese Leute manchmal schlimme Erlebnisse zu bewältigen, die Arbeit am Fahndungsbild helfe ihnen dabei.

© SZ vom 21.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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