Auftritt im Lovelace:Legenden lohnen sich

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Giorgio Moroder, in den Siebzigerjahren Begründer des Sound-of-Munich, kehrt für ein DJ-Set in seine frühere Heimat zurück. Viele Handy-Fotos werden gemacht, auch eine T-Shirt-Kollektion ist im Angebot

Von Dirk Wagner

Irritiert schaut Christopher von Deylen vom Pop-Projekt Schiller auf die Uhr. Wiederholt singt gerade eine Gesellschaft im Münchner Steakhouse "Zum Goldenen Kalb" ein Geburtstagsständchen. Normalerweise geschieht dergleichen um Mitternacht, wenn jemand mit Freunden in den Geburtstag hinein feiert. Nun ist es aber erst 21 Uhr. Am langen Tisch, an dem von Deylen mit weit mehr als 20 anderen Gästen sitzt, werden gerade die Vorspeisen gereicht.

Eigentlich hätte dies auch die Ruhe vor dem Sturm sein sollen. Der Moment, in dem DJs, die später im Event-Hotel Lovelace zu Ehren der Münchner Produzenten-Legende Giorgio Moroder auflegen werden, sich noch einmal besonders auserlesen stärken. Darunter der DJ und Produzent Denis Naidanow, der vergangenes Jahr mit Moroder den DAF-Hit "Der Mussolini" remixte. Vor allem aber sitzt Giorgio Moroder selbst in der illustren Runde. Der Mann also, der Anfang der Siebzigerjahre in München die Musicland-Studios eröffnete, in denen internationale Stars wie die Rolling Stones, Electric Light Orchestra, Elton John, Queen oder Led Zeppelin ihre Platten produzierten. Den Sound of Munich prägte im Keller des Arabellahauses jedoch die aus Boston stammende Sängerin Donna Summer mit dem Hit "I Feel Love", den Moroder von der Gesangsstimme abgesehen ausschließlich mit Synthesizer produzierte. Damit gilt er als Wegbereiter der elektronischen Tanzmusik.

Giorgio Moroder feiert sich selbst: Der Musikproduzent legt im Eventhotel Lovelace teilweise freihändig auf. (Foto: Stephan Rumpf)

Den gebürtigen Südtiroler zog es schließlich in die USA, wo er als Komponist unter anderem Oscars für den Soundtrack zu "Midnight Express" erhielt, oder für den Song "Flashdance ... What A Feeling" aus dem Film "Flashdance". Die Leitung der Musicland-Studios in München überließ Moroder derweil dem Tontechniker und Produzenten Reinhold Mack. Als dann aber die neue U-Bahn zum Arabellapark nur wenige Meter von der Studiowand entfernt vorbeifuhr und für regelmäßige Störungen sorgte, wurden die Tonstudios geschlossen - zumal ausgerechnet zu dieser Zeit eine Mieterhöhung angestrebt wurde. Damit endete Mitte der Achtzigerjahre ein Stück Münchner Pop-Geschichte. Lediglich die Türsteher der Clubs sind geblieben, die in jener Hochphase der Musicland-Studios nötig erschienen, um den hier über Wochen produzierenden Weltstars auch Orte zu bieten, an denen sie unbehelligt feiern konnten.

Ein solcher Rückzugsort war auch Kays Bistro am Viktualienmarkt, wo zum Beispiel der Stones-Gitarrist Keith Richards zu speisen pflegte. Mittlerweile befindet sich dort das Steakhouse, das nun Giorgio Moroder und seine Begleitung bewirtet. Doch noch bevor der Hauptgang mit den vorbereiteten 20 Kilo Fleisch serviert wird, sehnt sich der mittlerweile 78-jährige Moroder nach etwas Ruhe, bevor er selbst schließlich an diesem Abend im Lovelace auflegen wird. Kaum aber verlässt die Legende den Raum, löst sich die Tischgesellschaft auf, als wäre dies eine Szene aus der Fernsehserie "Kir Royal".

Die Stimmung ist sensationell. (Foto: Stephan Rumpf)

Kurz bevor Giorgio Moroder wie angekündigt um Mitternacht im Lovelace auflegt, erscheint die Tischgesellschaft natürlich auch dort. Nicht alle entdecken dabei die im dritten Stock ausgestellten T-Shirts mit Motiven von Moroders Schallplattencover, die das Münchner Mode-Label "Super Légère" in einer limitierten Kollektion herausbringt. Dabei sind sie eigentlich der Anlass für Moroders Gastspiel in der Stadt, in der er seinen Weltruhm begründete. "Vor vierzig Jahren machte ich mich auf von München nach Los Angeles als Komponist und Produzent. Und jetzt bin ich hier als DJ", begrüßt Moroder sein Publikum, das ihn dann aber wohl mehr für sein Lebenswerk als für sein DJ-Set feiert. Das fasst im Wesentlichen seine größten Hits zusammen, die der Menge wegen nur angespielt werden, statt dass er, der doch auch mit so vielen gelungenen Remixen überzeugte, sie hier musikalisch vertieft. So also, wie andere DJs hier Moroders Musik aufbereiten, thematisieren und weiterentwickeln. Trotzdem verfolgt auch der erfolgreiche Produzent Christopher von Deylen von Schiller Moroders Auftritt sehr aufmerksam. Wie die anderen Fans macht auch er Handy-Fotos vom Meister. Dabei remixt er selbst aktuell mit Moroder dessen Soundtrack zu "Scarface".

Das Event-Hotel ist übrigens nicht nur nach dem Pornostar Linda Lovelace benannt, sondern auch nach der britischen Mathematikerin Ada Lovelace, die bereits im 19. Jahrhundert eine Programmiersprache für einen mechanischen Computer entwickelte. Mit ihr begann also die Popgeschichte, die Giorgio Moroder Jahrzehnte später in München auftat. Und die sich immer noch rechnet, wie der Abend im Lovelace beweist.

© SZ vom 18.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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