Auf zwei Rädern:Paradies für einen Abend

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Warten auf den Start: Teilnehmer der Radlnacht auf dem Königsplatz. (Foto: Johannes Simon)

15 000 Menschen genießen bei der Radlnacht die freie Fahrt ohne Autoverkehr

Von Eva Casper

Einmal im Jahr wird in München eine Utopie Wirklichkeit: Straßen werden für Autos gesperrt, stattdessen strampeln Fahrradfahrer durch die Nacht. 15 000 waren es in diesem Jahr, eine lange Kolonne aus Hollandfahrrädern, Mountainbikes, Hochrädern, Tandems und allem, was die mittlerweile 200-jährige Geschichte des Fahrrads sonst noch an Modellen hervorgebracht hat. Bei der "Münchner Radlnacht" gehört die Stadt ihnen, zumindest ein Teil davon, für ein paar Stunden.

Um kurz vor halb neun stehen die Radler am Samstagabend auf dem Königsplatz und warten auf den Start. Das Signal gibt Oberbürgermeister Dieter Reiter, selbstverständlich mit einer Fahrradklingel. Doch bevor es auf die 16 Kilometer lange Strecke, die unter anderem über Hackerbrücke, Theresienwiese, Candidplatz und Prinzregentenstraße führt, verkündet Reiter noch schnell, dass Radlfahrer in Zukunft noch mehr Platz in München bekommen sollen - zumindest, was Stellplätze betrifft. "Wenn sie sich dann auch ab und zu an die Verkehrsregeln halten, bin ich schon glücklich", scherzt er. Dann gibt es etwas, was man in München eher als Autofahrer gewöhnt ist: Stau. Bis die Kolonne sich verteilt und die Radler wirklich Platz zum Fahren haben, dauert es etwas. Spätestens an der Theresienwiese verteilt sich die Masse aber. An der Strecke stehen Passanten, winken und machen Fotos. Ein Anwohner spielt durch seine Musikboxen das Radllied schlechthin: "Bicycle Race" von Queen.

Besondere Aufmerksamkeit bekommen natürlich die Exoten. Daniel Küfner zum Beispiel, der ein Fatbike mit zehn Zentimeter dicken Reifen fährt. "Das stammt aus Kanada. Damit kann man selbst im Schnee gut fahren", sagt der 40-Jährige. Künstler Lexan Frye fährt ein Velomobil, das ein bisschen aussieht wie die Formel- 1-Wagen aus den Fünfzigerjahren. Damit zu fahren sei schon gewöhnungsbedürftig, aber auch lustig, sagt Frye. Zum ersten Mal wurde bei der Radlnacht auch der "We love Radl"-Preis verliehen für das beste Fahrrad-Video. Valentin Kreuzinger gewann die Online-Abstimmung mit einem Balance-Akt in Tracht.

Nach knapp zwei Stunden erreichen die Fahrer dann wieder den Königsplatz. "Das sollte es öfter in München geben", sagt Carolin Breier. Vor allem die Fahrt durch den Altstadtringtunnel sei ein Highlight gewesen, sagt die 31-Jährige. Das findet auch Norbert Kleiner. Auf seinem Handy zeigt er Bilder aus den Niederlanden: eigene Fahrradschnellstraßen, Aufladestationen für E-Bikes und sogar trichterförmige Mülleimer, in die man bequem vom Rad aus den Müll werfen kann. Für Radlfans sei dort das Paradies, sagt Kleiner. Um diesen Status auch zu erlangen, müsse München noch viel tun.

© SZ vom 26.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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