Asylbewerber in München:"Ein menschenunwürdiger Zustand"

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Ein Beweisvideo zeigt: Flüchtlinge leiden in München unter einer Rattenplage und verschmutzten Sanitäranlagen. Die Grünen fordern die Schließung von zwei Asylbewerberheimen.

B. Kastner

Katastrophal, untragbar, menschenunwürdig - so beschreiben die Grünen im Landtag die Zustände in zwei Münchner Unterkünften für Asylbewerber. Die Containerbauten an der Rosenheimer und Waldmeisterstraße stehen schon lange in der Kritik, nun wurde ein Video öffentlich, das Ratten zeigt, die in der Unterkunft umherspazieren. Kürzlich forderte der Münchner Stadtrat, auch mit Stimmen der CSU, die zuständige Regierung von Oberbayern auf, die Anlagen zu schließen. Dies verlangen auch die Grünen und wollen darüber am Mittwoch im Landtag abstimmen lassen.

Dokumentiert auf einem Video: Ratten in einer Küche für Flüchtlinge. (Foto: Foto: oh)

Als Beleg für die Bedingungen, unter denen in der Rosenheimer Straße rund 200 Flüchtlinge, darunter viele Kinder, leben müssen, zeigte Fraktionssprecherin Margarete Bause am Freitag ein kurzes Video: Zu sehen sind vier Ratten, die in einer Gemeinschaftsküche umherlaufen, sie scheinen sich wohlzufühlen. Seit Monaten werden die Container von einer Rattenplage heimgesucht, der Einsatz einer Spezialfirma fruchtete bisher nicht.

Bause zitierte aus einem internen Papier der Caritas, deren Mitarbeiter dort die Flüchtlinge betreuen. Aus "Fürsorgepflicht" für die eigenen Angestellten hatte die Caritas einen Hygienefachmann in die Unterkunft geschickt, und der fasst sein Urteil so zusammen: "Die hygienischen sowie baulichen Gegebenheiten befinden sich in einem katastrophalen und menschenunwürdigen Zustand." Das gelte für die Caritas-Betreuer wie für die Flüchtlinge.

Im Gutachten, das auf einer Begehung am 18. November basiert, ist etwa von einem Blumentrog im Freibereich die Rede, unter dem sich vermutlich Ratten eingenistet hätten, und von einem Abwassersystem, "das bevorzugt von Ratten bewohnt wird". Auch Duschen und Toiletten nennt der Fachmann "nicht tragbar". Vor allem Kleinkinder seien "massiv gefährdet" durch mögliche Keime, Bakterien und Viren.

Die Caritas betont, dass das Papier "nicht für die Öffentlichkeit bestimmt" sei, der Bericht des Experten sei noch nicht bewertet. "Konsequenzen werden in Zusammenarbeit mit der Regierung von Oberbayern erarbeitet."In dieser dem Innenministerium untergeordneten Behörde ist man bemüht, die Situation in der Rosenheimer Straße zu relativieren. Regierungspräsident Christoph Hillenbrand wollte sich nicht äußern, dies übernahm seine Bereichsleiterin Stefanie Weber: Nein, die Zustände seien "nicht menschenunwürdig, sonst würden wir dort keine Menschen unterbringen". Dennoch prüfe man alternative Angebote der Stadt München, um die Flüchtlinge eventuell andernorts einzuquartieren.

Für die Hygiene macht Weber auch die Bewohner selbst verantwortlich: Ihnen obliege es, für Sauberkeit zu sorgen, dafür gebe es Ein-Euro-Jobs. Mitunter habe sogar der Verwaltungsleiter dort geputzt, obwohl das nicht seine Aufgabe sei. Außerdem habe ihr Haus "immer wieder investiert" in die Container, "wir versuchen die Bedingungen zu optimieren". Die Unterkunft, die in Ramersdorf direkt am Beginn der Salzburger Autobahn auf einer Verkehrsinsel liegt, sei "sehr beliebt" bei den Flüchtlingen, so Weber. Dies erkläre sie sich mit der "verkehrsgünstigen Lage".

"Die Situation grenzt an eine Verletzung der Menschenrechte"

Dagegen sagt die grüne Fraktionschefin Bause: "Die Situation grenzt an eine Verletzung der Menschenrechte." Zu einem ähnlichen Ergebnis war 2007 auch der Menschenrechtskommissar des Europarats nach einem Besuch gekommen. Kurz bevor grüne Politiker die Unterkunft besuchten, so Bause, habe die Verwaltung noch Rattenlöcher geschlossen. In einer anderen Containeranlage seien vor einem offiziellen Besuch Putz-und Malerkolonnen angerückt.

Die asylpolitische Sprecherin der Grünen, Renate Ackermann, kritisierte auch die hohen Mieten in den Containern für Flüchtlinge mit eigenem Einkommen: So habe ein Haushaltsvorstand für einen 12,5-Quadratmeter-Container 185 Euro zu zahlen, jedes weitere Familienmitglied weitere 65 Euro, was bei einer üblichen Belegung mit vier Personen 380 Euro bedeute. Stefanie Weber bestätigt dies, es handle sich um die Kaltmiete.

Laut Ackermann sei kürzlich ein alleinstehender Asylbewerber neu in die Rosenheimer Straße gezogen. Dort müsse er nun für sein Bett 312 Euro monatlich zahlen. Den Container müsse er sich mit drei weiteren Flüchtlingen teilen.

© SZ vom 29.11.2008/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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