Arzt-Patienten-Verhältnis:"Narzisstischer Kitzel"

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Gerichtspsychiater, der Sex mit einer medikamentenabhängigen Staatsanwältin hatte, will Entschädigung zahlen

Von Andreas Salch

Der Münchner Gerichtspsychiater Thomas S., dem vorgeworfen wird, er habe einer medikamentenabhängigen Staatsanwältin Psychopharmaka verschrieben und im Gegenzug Sex von ihr verlangt, hat erstmals Fehler eingeräumt. Am dritten Prozesstag vor der 1. Strafkammer am Landgericht München II verlas einer der Verteidiger eine zwölfseitige Erklärung des 60-Jährigen. Darin bekennt S., dass es ein Fehler gewesen sei, mit der inzwischen aus dem Dienst ausgeschiedenen Juristin ein Arzt-Patienten-Verhältnis und gleichzeitig ein sexuelles Verhältnis gehabt zu haben.

Laut Anklage der Staatsanwaltschaft soll Thomas S. mit der Juristin unter anderem "softe Sado-Maso-Praktiken" in deren Wohnung praktiziert haben. In der Erklärung, die Rechtsanwalt Stephan Lucas verlas, sichert S. der Juristin jetzt eine Entschädigung in Höhe von 20 000 Euro zu. Die heute 44-Jährige sei durch die Ermittlungen und das gesamte Verfahren schwer belastet worden. Grund hierfür sei nicht zuletzt sein "Prozessverhalten", räumt der Gerichtspsychiater ein. Indes bestreitet er nach wie vor vehement, er habe das Arzt-Patienten-Verhältnis zu der früheren Staatsanwältin ausgenutzt, um Sex mit ihr zu haben.

Tatsächlich liegt der Fall in einer juristischen Grauzone. Bislang ist rechtlich nicht eindeutig geklärt, wann sich ein Arzt, der im Zuge einer Behandlung auch ein intimes Verhältnis mit einer Patientin beginnt, strafbar macht. Staatsanwalt Florian Gliwitzky geht in seiner Anklage davon aus, dass Thomas S. sein Behandlungsverhältnis dazu nutzte, Sex mit der Juristin zu haben.

S. hatte der früheren Staatsanwältin, die er von seiner Tätigkeit als Gutachter am Münchner Strafjustizzentrum kannte, erstmals Anfang Juni 2010 ein Rezept ausgestellt. Die Juristin, die auch als Gruppenleiterin in der politischen Abteilung bei der Staatsanwaltschaft München I tätig war, soll damals laut der Erklärung des Angeklagten unter "massiven Angstattacken" gelitten haben. Da sie zudem alkoholabhängig gewesen sei, habe er ihr geraten, mit dem Medikament, das er ihr verschrieben hatte, "vorsichtig umzugehen". Wenige Wochen, nachdem er der 44-Jährigen erstmals ein Rezept ausgestellt habe, habe sie ihm "ein sexuelles Angebot" gemacht. Aus "postpubertärer Angeberei" und wegen des "narzisstischen Kitzels" habe er sich auf die erotische Offerte "gern" eingelassen. In "jugendlicher Naivität", so der 60-Jährige, habe er der damaligen Staatsanwältin versprochen, dass er sie "zur Mutter machen" wolle.

Ende 2010 kam es zum Zerwürfnis zwischen S. und der Juristin. Im Dezember des selben Jahres brach die 44-Jährige wegen Medikamenten-Missbrauchs zusammen. Thomas S. veranlasste daraufhin die Einweisung in eine Klinik. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 09.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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