Arbeitsmarktprogramm:Viel geplant, wenig umgesetzt

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Flüchtlinge sollen in Ein-Euro-Jobs vermittelt werden, doch das Programm läuft zäh an

Von Sven Loerzer

Es war gerade der Frühling angebrochen, als Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles ihre Idee verkündete, bundesweit zusätzlich 100 000 Ein-Euro-Jobs für Flüchtlinge schaffen zu wollen. Die Arbeitsgelegenheiten sollen vor allem für jene gedacht sein, die nicht mit einer schnellen Entscheidung über ihren Asylantrag rechnen können. Nach dem üblichen Verteilungsschlüssel gerechnet, könnte dies rund 1600 neue Ein-Euro-Jobs für Asylbewerber in München bedeuten. Bis die auf ein halbes Jahr befristeten Jobs mit maximal 30 Wochenstunden tatsächlich entstehen, dürfte es aber wohl wieder Frühling werden. Einer Auskunft der Münchner Arbeitsagentur ist zu entnehmen, dass bislang noch keine einzige der neuen Stellen geschaffen ist.

Im Sommer, am 13. Juli, billigte das Bundeskabinett das neue Arbeitsmarktprogramm "Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen (FIM)" zur Schaffung dieser Stellen sowie eine entsprechende Verwaltungsvereinbarung mit der Bundesagentur für Arbeit zur Durchführung. "Es ist gut und wichtig, dass wir Geflüchteten die Chance geben, möglichst früh zu erleben, wie der Arbeitsalltag bei uns aussieht", befand Andrea Nahles. Die entsprechende Richtlinie des Ministeriums zu dem Programm und dessen Ausgestaltung ist seit 27. Juli in Kraft. Wie sieht es inzwischen aus mit den neuen Ein-Euro-Jobs für Flüchtlinge in München? Es ist Herbst geworden, ein erster Anruf bei der Arbeitsagentur München bringt keine Klärung, für Ein-Euro-Jobs sei das Jobcenter zuständig.

Ein Irrtum, der umgehend korrigiert wird. Da lässt die Arbeitsagentur wissen, dass das Arbeitsmarktprogramm FIM für Asylbewerber gedacht sei, die nicht sofort in der Lage seien, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Es biete die Möglichkeit, die Wartezeit während des Asylverfahrens sinnvoll zu nutzen und die Gepflogenheiten des deutschen Arbeitsmarktes kennenzulernen. Gibt es schon Vorstellungen, vielleicht sogar erste Stellen? Offenbar noch nicht, denn die Agentur teilt mit, sie werde "gemeinsam mit der Stadt München das Programm effektiv nutzen, um eine berufliche wie gesellschaftliche Integration der Asylbewerber zu fördern. Die Planungen hierzu laufen auf Hochtouren".

Nach den Vorgaben des Bundesarbeitsministeriums soll nicht mehr als ein Viertel der FIM in den Asylunterkünften "intern" zur Aufrechterhaltung und zum Betrieb der Einrichtung entstehen. Dabei könnte es sich zum Beispiel um Hilfsarbeiten in der Küche oder beim Putzen handeln, wie Nahles sagte. Flüchtlinge sollten aber auch "raus kommen", unter deutsche Kollegen, "die Arbeit hier kennenlernen. Das kann in der Stadtbücherei sein oder bei der Feuerwehr, wo sie sich mit um die Autos kümmern". Der Großteil der FIM soll deshalb bei staatlichen, kommunalen und gemeinnützigen Trägern entstehen.

Damit kommt einiges an neuen Aufgaben auf das städtische Referat für Arbeit und Wirtschaft (RAW) zu. Erste Erfahrungen hat es bereits mit dem seit Juni laufenden Modellprojekt "Berufsorientierte Arbeitsgelegenheiten in sozialen Betrieben" gesammelt, das jeweils für sechs Monate Beschäftigung für Asylbewerber mit Bleibeperspektive bietet und mit zehn Flüchtlingen begonnen hat. Sie erhalten dafür eine Aufwandsentschädigung von 1,05 Euro pro Stunde. Bei dem neuen Arbeitsmarktprogramm FIM allerdings liegt der vom Bund festgelegte Stundensatz, wie vielfach kritisiert, nur bei 80 Cent. Außerdem fehlt dort die im RAW-Pilotprojekt verpflichtend integrierte berufsbezogene Sprachförderung. Gerade die sei aber sehr wichtig, da viele Flüchtlinge kaum Deutschkenntnisse besitzen. Eine Herausforderung sei auch die große Zahl der zu schaffenden Stellen, zumal es sich um Arbeit handeln muss, die "sonst nicht, nicht in diesem Umfang oder nicht zu diesem Zeitpunkt verrichtet werden würde".

In seiner Beschlussvorlage für den Arbeits- und Wirtschaftsausschuss des Stadtrats machte das Referat für Arbeit und Wirtschaft außerdem klar, dass es mehr Personal braucht, um die neuen Aufgaben im Flüchtlingsbereich zu bewältigen. Rund 230 000 Euro zusätzlich pro Jahr soll der Stadtrat für die Schaffung von drei neuen Stellen bewilligen, die dann zum 1. Januar 2017 besetzt werden sollen. Diese Jobs sind in jedem Fall schon einmal geschaffen. Der Ausschuss stimmte der Vorlage von Wirtschaftsreferent und Bürgermeister Josef Schmid (CSU) einstimmig zu. Er bekam sogar von den Grünen "dickes Lob" für seine Initiative.

© SZ vom 21.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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