Antike Kunst:Aufpolierter Bildungsschatz

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Mehr als 40 Jahre verstaubte eine bedeutende archäologische Rekonstruktion im Depot. Nun kümmern sich Schüler um die 3,5 Meter hohen Figuren des Westgiebels am Zeustempel von Olympia. Die Statuen bekommt das Wilhelmsgymnasium zur aktiven Pflege humanistischer Kultur

Von Melanie Staudinger

Das Entstauben ist noch relativ banal: Pinsel nehmen und die schmutzigen Stellen abwedeln. Schwieriger ist die Reinigung: Da darf das blaue Schwämmchen nur leicht feucht sein, sonst lassen sich die bis zu 3,5 Meter hohen Figuren nur schwer polieren. 20 Schüler des Wilhelmsgymnasium haben sich mit drei professionellen Restauratoren im Museum für klassische Abgüsse getroffen, um ein deutschlandweit ziemlich einzigartiges Projekt voranzutreiben. Die Zehnt- und Elftklässler lernen, wie man sich um Statuen kümmert. Denn vom kommenden Jahr an wird in ihrer Schule die archäologische Rekonstruktion des Westgiebels des Zeustempels von Olympia zu sehen sein.

Direktor Michael Hotz hat eigentlich mehr aus Zufall erfahren, dass im Abguss-Museum an der Katharina-von-Bora-Straße ein Schatz lagert, der passender für sein humanistisches Gymnasium nicht sein könnte: Die kopierten und ergänzten Figuren entstanden 1972 und lagern seit mehr als 40 Jahren in einem Depot. Dort aber müssen sie wegen Renovierungsarbeiten raus - und werden jetzt als dauerhafte Leihgabe einen Platz im ebenfalls gerade in der Sanierung befindlichen Wilhelmsgymnasium an der Thierschstraße finden.

Abpinseln und reinigen, heißt es. (Foto: Robert Haas)

Bis dahin aber ist noch einiges zu tun. Denn Schulleiter Hotz will die Statuen nicht einfach nur im dritten Stock platzieren, damit sie dann wieder jahrzehntelang in Vergessenheit geraten. Deshalb ist die Aufstellung der Figuren in ein pädagogisches Gesamtkonzept eingebettet, das die Schüler aller Jahrgangsstufen einbezieht. Die Figuren, die den mythischen Kampf der Lapithen und Kentauren darstellen, sollen von den Schülern gepflegt werden. Deshalb erhalten 20 von ihnen einen mehrere Nachmittage umfassenden Kurs und vermitteln ihre Kenntnisse dann weiter an die anderen 600 Schüler. "Die Klassen können sich täglich mit diesem herausragenden Beispiel antiker Kunst beschäftigen", sagt Hotz.

Er will den "Bildungsschatz" auch der interessierten Öffentlichkeit zugänglich machen: Dafür erarbeiten seine Schüler ein Ausstellungskonzept, das Schülern wie anderen Besuchern Informationen zur Geschichte, der kunstgeschichtlichen Bedeutung, aber auch zum Schicksal der Figuren seit 1972 bieten soll. Sie haben 1:1-Konturen auf Pappe erstellt und zusammen mit Mitarbeitern des Museums, den Architekten, die für die Schulsanierung verantwortlich sind, und der Bauleitung eine Probeaufstellung vorgenommen. "Der Giebel ist wie gemacht für unsere Schule", sagt Hotz. Genau hätten die Figuren, die in ihrer gesamten Ausbreitung eine Konstruktion von 30 Metern Länge ergeben, auf den ihnen zugewiesenen Platz gepasst. Haargenau, denn recht viel höher hätten sie nicht sein dürfen.

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(Foto: Robert Haas)

Die Schüler des "Kunst Total"-Kurses...

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(Foto: Robert Haas)

...und des Griechisch-Seminars am Wilhelmsgymnasium lernen,...

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(Foto: Robert Haas)

...wie man alte Skulpturen pflegt.

Das Wilhelmsgymnasium hat jedoch noch sehr viel mehr vor: Die Zeus-Skulpturen sollen eingebettet sein in die Konzeption der Gedenkstätte zum Olympia-Attentat 1972, die in diesem Herbst eröffnet werden soll. Schließlich wurde die Rekonstruktion speziell für die Olympischen Spiele in München erarbeitet. Gespräche dazu mit dem Kultusministerium und der Landeszentrale für politische Bildung laufen bereits. Und die Schüler beschäftigen sich währenddessen mit der Pflege und Betreuung der Figuren - jede Klasse übernimmt später eine Patenschaft. "Die Figuren reichen genau aus", sagt Hotz. Ganz zufällig natürlich.

So viel Engagement ist auch dem Stadtrat nicht verborgen geblieben. Die Kommunalpolitiker haben zugesagt, die Kosten für Transport und Aufstellung der Figuren in den Sommerferien 2018 zu übernehmen. Doch auch hier dürfte dem Wilhelmsgymnasium ziemlich Einzigartiges gelungen sein. Innerhalb weniger Monate hat die Schule, die auch Kultusminister Ludwig Spaenle zu ihren ehemaligen Schülern zählt, 40 000 Euro gesammelt. Durch ein Benefizkonzert, Großspenden und eine Olympiade könnten knapp 30 000 Euro zusammenkommen, so dass die Stadt nur die Hälfte der Kosten tatsächlich bezahlen muss. Und auch die Arbeiten an der Statik, die nötig sind, verlaufen quasi kostenneutral, weil Hotz sie aus dem Etat für den laufenden Bauunterhalt bezahlt. "Wir erleben spannende Zeiten", sagt Hotz. Das Fazit seiner Schüler aus dem Restaurationskurs: "Da sieht man, dass Griechisch-Unterricht alles andere als verstaubt ist."

© SZ vom 31.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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