Anschlag auf Asylheim:Tat wird unterschätzt

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"Brandanschlag auf Asylunterkunft" vom 7. März:

Die Nachricht macht in jeder Hinsicht ratlos: 16- und 17-jährige Kinder laufen los und zündeln an Gebäuden, die zur Unterbringung von Geflüchteten gedacht sind. Die Polizei tut kund, ein rechtsradikaler Hintergrund sei nicht zu erkennen. Die Kinder werden auf freien Fuß gesetzt. Ist Brandstiftung beziehungsweise versuchte schwere Brandstiftung mit dem Ziel, die Unterbringung einer bestimmten Gruppe von Menschen in diesem Gebäude zu verhindern, jetzt ein apolitischer "Dumme-Jungen-Streich"?

Rassistisches Gedankengut, Hass auf Fremde, Gewaltbereitschaft zur Vereitelung von Projekten, die auf einem Beschluss demokratisch legitimierter Institutionen beruhen . . .- alles keine politische Einstellung? Was, wenn nicht eine politische Intention, kann denn Jugendliche dazu inspirieren, ausgerechnet eine Flüchtlingsunterkunft und nicht etwa das Bushäuschen anzuzünden?

Überdies: Wie viel kriminelle Energie ist hier zu erkennen! Die Jungs haben gemeinsam gehandelt, mehrfach an unterschiedlichen Stellen zur Tat angesetzt und danach nicht davon abgelassen, sondern sich für die kommende Nacht erneut verabredet. Das spricht keineswegs für hirnlose Gelegenheitskriminalität, sondern für ein geplantes und von einer festen inneren Überzeugung getragenes Vorgehen.

Wäre es aus Sicht der Münchner Polizei dasselbe, wenn drei junge Menschen im selben Alter, sagen wir, aus Protest gegen die "Münchner Sicherheitskonferenz" oder die Demonstrationen von "Pegida" mit Molotow-Cocktails hantieren würden? Sagen wir, um in der Nacht vor Beginn der Veranstaltung Zelte für Pressekonferenzen oder den Lautsprecherwagen "abzufackeln", mehrfach hintereinander? Auch ein apolitischer "Dumme-Jungen-Streich" oder doch gewaltbereite linke Chaoten, die zeigen, wie schon die Jüngsten für organisierten "Linksterrorismus" anfällig sind?

In Köln werden aus Marokko stammende Jugendliche wochenlang in U-Haft genommen, weil sie Handys gestohlen haben. Die Öffentlichkeit findet keine anderen Vokabeln als "Kriminelle und Verbrecher", ein ganzes Land schreit nach Vergeltung, Buße und Einschränkung der Rechte tausender völlig unbescholtener Schutzsuchender. Heribert Prantl machte sich vor einigen Wochen nachdrücklich für die exemplarische Verhängung von U-Haft als deutliches Zeichen der Justiz stark, dass derlei Straftaten - und seien es unterm Strich einfache Vergehen wie Diebstahl oder Beleidigung mit sexuellem Inhalt - nicht geduldet werden. Zahlreiche Kolleginnen und Kollegen konnten sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier unzulässigerweise der Sanktionsgedanke im Vordergrund stand.

Brandstiftung ist schon in der "einfachen" Begehungsweise ein Verbrechen. Auch hier könnte Untersuchungshaft beantragt und angeordnet werden. Bei einem mit beachtlicher krimineller Energie geplanten Verbrechen bestehen durchaus ein Fluchtanreiz und, da kaum anzunehmen ist, dass die Jugendlichen sich das ganz alleine ausgedacht haben, auch konkrete Anhaltspunkte für Verdunkelungsgefahr, von einer Wiederholungsgefahr ganz zu schweigen. Wird die Süddeutsche Zeitung hier ähnlich klare Worte finden?

Abgesehen davon stellt sich die Frage, wie derartiges Gedankengut in die Köpfe von Jugendlichen hineinkommt und was politisch, erzieherisch und mit sonstigen Instrumenten der Jugendhilfe und des Jugendgerichtes dafür getan werden kann, damit es dort wieder herauskommt. Eine allseits deutlich artikulierte Null-Toleranz-Linie gegen rassistisch motivierte Gewalt, auch wenn sie sich "nur" gegen Sachen richtet und die Betroffenen tun, als könnten sie mit dem Begriff "rechtsnationale Gesinnung" nichts anfangen, wäre ein guter Anfang. Juliane Scheer, München

© SZ vom 15.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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