Anklage nach 22 Jahren:Mord vor der eigenen Wohnung

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Im September 1990 starb eine 63-jährige Münchnerin nach einer brutalen Vergewaltigung in ihrem Treppenhaus. Nun glaubt die Staatsanwaltschaft, den Täter gefunden zu haben. Er sitzt bereits im Gefängnis. Als Beweismittel dient eine DNS-Probe.

Florian Fuchs und Susi Wimmer

Es war ein bestialisches Verbrechen: Ein Mann vergewaltigt eine Frau im Treppenhaus vor ihrer Wohnung und tötet sie. Nun, mehr als zwanzig Jahre nach dem Mord in der Maxvorstadt, glaubt die Polizei den Täter ermittelt zu haben: Die Staatsanwaltschaft München I hat Anklage gegen einen 44-Jährigen erhoben.

Wie Sprecher Thomas Steinkraus-Koch am Dienstag mitteilte, kommt der Beschuldigte nach einem Abgleich seiner DNS-Merkmale mit den Spuren vom Tatort als Mörder in Betracht. Der Beschuldigte bestreitet den Vorwurf.

Laut Anklage soll der damals 22 Jahre alte Mann sein 63-jähriges Opfer in der Nacht vom 8. auf den 9. September 1990 in einem Lokal in der Schleißheimer Straße getroffen haben. Elisabeth G. war keine Unbekannte in ihrem Viertel. "Kitty", wie sie die Leute riefen, war gerne nachts in Kneipen unterwegs, die Rentnerin soll dort öfter Männer kennengelernt haben.

Wie die Münchner Staatsanwaltschaft glaubt, hat sie an dem Mordabend einige Lokale besucht und schließlich mit Ismat O. angebandelt. Um 23 Uhr soll der Beschuldigte die 63-Jährige zu ihrer Wohnung in der Heßstraße begleitet haben.

Die Rentnerin aber habe ihren Schlüssel vergessen gehabt und Ismat O. weggeschickt. Weil der Beschuldigte in dem Moment erkannte, dass die Frau nicht mit ihm schlafen wolle, so glauben die Ermittler, habe er sie vergewaltigt.

In der Anklage steht lediglich, dass der Täter sein Opfer gewürgt und sich dabei an ihr vergangen habe. Kurz nach dem Mord im Jahr 1990 hatten Medien übereinstimmend aus dem Obduktionsergebnis berichtet, dass der Täter die 63-Jährige mehrfach in den Hals gebissen hatte und sie schließlich an ihrem eigenen Blut erstickt war.

Nachbarn sagten damals aus, einen lauten Streit im Hausgang gehört, sich aber nicht groß darum gekümmert zu haben. Auseinandersetzungen mit Liebhabern, so der Tenor, sei bei der 63-Jährigen nichts Ungewöhnliches gewesen. Erst um 0.40 Uhr hatte ein Anwohner die Rentnerin vor ihrer Wohnung im fünften Stock leblos aufgefunden. Schmuck und Bargeld trug das Opfer noch bei sich, ein Raubmord schied demnach offenbar aus.

Die Polizei erstellte aufgrund von Zeugenaussagen ein Phantombild und setzte 5000 Mark Belohnung für Hinweise auf den Täter aus. Eine konkreter Verdacht ergab sich nicht. Im Jahr 2000 wertete die Polizei die DNS-Spuren vom Tatort dank neuer Techniken aus und hinterlegte sie in ihrer Datenbank.

Im vergangenen Jahr entdeckte die Mordkommission schließlich die Verbindung zwischen Ismat O. und dem Mord an Elisabeth G.: Der heute 44-Jährige war in Tübingen wegen gefährlicher Körperverletzung festgenommen worden und ist inzwischen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt - er soll nach Familienstreitigkeiten seine Frau geschlagen haben.

Im Zuge der Ermittlungen nahm die Polizei im Juli 2011 eine DNS-Probe des Beschuldigten. Bei einem Abgleich stellten die Kriminalpolizisten fest, dass der in Beirut geborene und inzwischen als staatenlos gemeldete Mann auch für den Mord in der Maxvorstadt "als möglicher Täter in Betracht" komme.

Der 44-Jährige sitzt im Gefängnis in Stadelheim und bestreitet, etwas mit der 22 Jahre zurückliegenden Tat zu tun zu haben. Sein Verteidiger Marco Noli sieht noch erheblichen Klärungsbedarf. "Es gibt noch einige Ungereimtheiten", sagt der Anwalt, "der Fall ist noch lange nicht geklärt." Die Anklageschrift umfasst 94 Seiten, es sind 30 Zeugen und fünf Sachverständige benannt.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Beschuldigten vor, Elisabeth G. aus "sexuellen Motiven" heraus getötet zu haben und erkennt unter anderem das Mordmerkmal Heimtücke. Über die Eröffnung des Verfahrens und einen Termin für die Verhandlung muss das Landgericht München I erst noch entscheiden.

© SZ vom 05.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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