Amtshaftungsprozess:Betrüger hinter Gittern bezahlt Anwalt aus Beute

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Von Ekkehard Müller-Jentsch

Der Täter saß schon hinter Gittern. Dennoch hatte die Staatsanwaltschaft nicht verhindert, dass er noch 30 000 Euro aus seiner Beute an seinen Verteidiger überwies. Für die betrogenen Opfer ist dieses Geld damit verloren. Denn das Oberlandesgericht München hat in einer Berufungsverhandlung nun sinngemäß festgestellt, dass die Staatsanwaltschaft sich vor allem um die Verfolgung von Straftaten zu kümmern habe. Es sei dagegen Sache der Geschädigten selbst, alles Notwendige zu tun, um ihre Ansprüche gegen den Täter durchzusetzen. Der 1. OLG-Senat hebt mit diesem Urteil eine Entscheidung der ersten Instanz auf: Die Amtshaftungskammer am Landgericht München I hatte den Freistaat noch dazu verurteilt, für die 30 000-Euro-Überweisung an den Anwalt Schadensersatz zu leisten.

Der Täter, ein Altenpfleger, hatte wenigstens 200 000 Euro bei einem dementen Ehepaar unterschlagen. Der Mann wurde deshalb rechtskräftig zu zwei Jahren Haft verurteilt und zur Rückzahlung des Geldes an die Erben des Seniorenpaares verpflichtet. Diese hatten den Betrüger daraufhin pfänden lassen, doch der Gerichtsvollzieher konnte gerade noch 20 000 Euro beschlagnahmen. Daraufhin erhoben die drei Erben Klage gegen den Freistaat auf Schadensersatz. In erster Instanz hatte das Gericht erklärt, dass frühzeitige Kontosperrungen den Tatverdächtigen gewarnt und somit die Ermittlungen gefährdet hätten - natürlich stehe die Strafverfolgung im Vordergrund. Doch spätestens mit dem Haftbefehl habe es keinen Grund mehr gegeben, die Konten des Beschuldigten nicht zu sperren: Die 30 000-Euro-Überweisung an den Anwalt hätte also nicht mehr erfolgen dürfen, meinte das Landgericht München I.

Dem widerspricht nun der Amtshaftungssenat am Oberlandesgericht: Grundsätzlich müsse bei jedem Beschuldigten damit gerechnet werden, dass er aus der Haft heraus Vermögensdispositionen über seine Bankkonten vornehme - und sei es nur, um seine Miete oder eben einen Verteidiger zu bezahlen. Der Staatsanwaltschaft sei es nicht zuzumuten, sich auch noch darum zu kümmern.

Die Revision gegen das Urteil (Az.: 1 U 93/15) hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen.

© SZ vom 16.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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