Amtsgericht München:Bewährungsstrafe für Gynäkologen

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Folgenreicher Kunstfehler: Sie hatten den Arzt wegen ihres dringenden Kinderwunsches aufgesucht - und wurden falsch behandelt. Vier Patientinnen sind nun unfruchtbar. Der 70-Jährige wurde wegen wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt.

Christian Rost

Ein wegen folgenreicher Kunstfehler angeklagter Gynäkologe ist am Freitag vom Münchner Amtsgericht zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Zudem muss der 70-Jährige, der fünf Frauen mit Kinderwunsch falsch behandelt und vier seiner Patientinnen unfruchtbar gemacht hat, 20.000 Euro an gemeinnützigen Einrichtungen zahlen. Seine Zulassung hat er freiwillig zurückgegeben.

Das Schöffengericht folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die dem Mediziner grobe Fehler vorwarf. In den Jahren 2005 bis 2006 hatte er bei den betroffenen Frauen Bauchspiegelungen vorgenommen und dabei jeweils ohne deren Einverständnis an beiden Eierstöcken Gewebeproben entnommen, um diese im Labor untersuchen zu lassen. Martin S. stand zu seiner Methode auch vor Gericht und verteidigte sich, er habe mit dem Biopsien herausfinden wollen, ob Zysten bösartig sind oder welche Ursachen zum Beispiel Verwachsungen an den Eileitern haben.

Zwei medizinische Sachverständige nannten die Methode ihres Kollegen veraltet, unnötig und teils auch ungeeignet. Gewebeentnahmen an Eierstöcken sind höchst diffizil, weil sie zum Funktionsverlust führen können. Ein Gutachter sagte, die Methode werde deshalb seit den 70er Jahren nicht mehr oder nur in absoluten Ausnahmefällen angewandt. Völlig unverständlich war für den Experten, dass der Angeklagte stets an beiden Eierstöcken Gewebe entnommen hatte.

Nach der Überzeugung des Gerichts führte dies bei vier der fünf Betroffenen Patientinnen, die den Arzt wegen eines dringenden Kinderwunschs konsultiert hatten, nicht nur zu vollständiger Unfruchtbarkeit - die Frauen im Alter von 24 bis 26 Jahren kamen durch den abrupten Stopp der Hormonproduktion in den geschädigten Eierstöcken auch viel zu früh in die Wechseljahre mit Symptomen wie Hitzewallungen und Schlafstörungen.

"Junge Frauen leiden nun unter etwas, was sie normalerweise erst mit 50 Jahren erlebt hätten", sagte die Vorsitzende Richterin Sonja Birkhofer-Hoffmann. Die Betroffenen müssten sich nun mit Hormonen behandeln lassen und wegen ihrer von dem Arzt verschuldeten Unfruchtbarkeit psychologische Hilfe in Anspruch nehmen.

Das Gericht wertete die Körperverletzungen des Mediziners, der das Urteil regungslos zur Kenntnis nahm, als nicht vorsätzlich, aber als "bewusst fahrlässig". Mit Blick auf die veralteten Methoden sagte Richterin Birkhofer-Hoffmann: "Jeder Arzt muss sich weiterentwickeln und auf den aktuellen Stand der Medizin bringen." Die Verteidigung hatte eine "deutlich niedrigere" Strafe gefordert. Die Bewährungszeit für Martin S. beträgt drei Jahre.

© SZ vom 30.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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