Agrarwissenschaften:Der grüne Außenposten

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Spezielle Fasersensoren sollen Brauereien dabei helfen, bei der Wasseraufbereitung Wasser und Chemikalien zu sparen. Daran forschen die TU München, die Staatsbrauerei Weihenstephan und eine Zollinger Firma. (Foto: Uli Benz/TU München)

In Weihenstephan hat TU-Chef Herrmann vieles umgekrempelt - oft gegen Proteste

Von Petra Schnirch, Freising

Sie brauen Bier in China oder Guatemala, helfen beim Aufbau einer Brauerei in Indien - ehemalige Studenten aus Weihenstephan findet man in der ganzen Welt und sie haben nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass der Name für viele nach wie vor einen besonderen Klang hat. Auch namhafte Agrarwissenschaftler und Landschaftsarchitekten hat Freising hervorgebracht. Doch sollte sich ein Traditionsstandort nicht zu sehr in seinem Ruhm sonnen, selbst wenn seine Wurzeln wie in Weihenstephan auf das Jahr 1803 zurückgehen. Sonst besteht die Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Einfach aber war und ist die Neuausrichtung zu einem modernen Life-Science-Zentrum nicht. Sie hat immer wieder mittelschwere Beben ausgelöst - die Zahl der Erstsemester aber ist deutlich gewachsen: von 629 im Herbst 2001 auf zuletzt 1581.

Eine große Zäsur am Standort Freising war der 1. Oktober 2000. Damals fasste die TU München die drei bestehenden Fakultäten des grünen Zentrums zu einer einzigen zusammen, dem Wissenschaftszentrum Weihenstephan für Ernährung, Landnutzung und Umwelt. Damit einher ging eine zunehmende Konzentration auf die naturwissenschaftliche Grundlagenforschung. Neue Studiengänge wie Molekulare Biotechnologie oder Ernährungswissenschaft kamen dazu, andere wie die Ökotrophologie wurden eingestellt.

Zuerst begehrten in Weihenstephan die Forstwissenschaftler auf. Die Verlagerung von der LMU an die TU 1999 stieß nicht nur bei Studenten und Professoren, sondern auch in Fachkreisen auf Widerstand. Der Bund Naturschutz befürchtete gar, mit der Eingliederung in die Groß-Fakultät könnte "die Bedeutung ganzheitlicher und praxisbezogener forstlicher Forschung zugunsten zellphysiologischer, auf Gentechnik ausgerichteter anderer Biowissenschaften" verloren gehen. Davon ist keine Rede mehr. Die TU-Forstwissenschaftler sind im Forstzentrum auf dem Campus eng mit der Landesanstalt und der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf vernetzt.

Auch Veränderungen in anderen Bereichen werden an und außerhalb der Universität kritisch begleitet. Ein schwieriger Prozess war die Umstrukturierung der Agrarwissenschaften. Die Studentenzahlen waren um die Jahrtausendwende eingebrochen. Der damalige Dekan Heinrich Meyer folgerte, dass sich die Herausforderungen gewandelt hätten - von der Fokussierung auf die Produktion von Nahrungsmitteln hin zu neuen Forschungsfeldern, gerade angesichts der Skandale um BSE und Nitrofen. 2007 aber sah sich die TU mit dem Vorwurf konfrontiert, die Agrarwissenschaften beim Umbau des grünen Zentrums vernachlässigt zu haben. Der Bayerische Bauernverband forderte eine eigene Agrar-Universität. An der TU nahm man diesen Vorstoß zunächst nicht ernst, dies änderte sich, als die Klagen bei der Staatsregierung auf offene Ohren stießen. TU-Präsident Wolfgang Herrmann, der selbst in Freising wohnt, reagierte schnell - er zauberte die Pläne für ein neues Agrar-Zentrum hervor, als Bindeglied zwischen Wissenschaft und Praxis. Letztendlich profitierte die TU von dem Streit: Sie bekam einen 20 Millionen Euro teuren Neubau, und auch die Studentenzahlen haben sich erholt.

Ein Jahr nach dem Disput mit dem Bauernverband brachte Herrmann die mächtige Brauer-Lobby gegen sich auf. Thomas Becker, der auf den Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie berufen wurde, kam nicht von der Brauer-Seite, sondern war Spezialist für Prozesstechnik. Becker hat alle Zweifel, die seine Person betreffen, längst ausgeräumt. Der Wandel manifestiert sich aber im Umzug mehrerer Lehrstühle vom Weihenstephaner Berg nach unten in den Neubau des Getränkewissenschaftlichen Zentrums mit modernen Laboratorien. Die Traditionsmarke, das Brauwesen, soll ebenfalls auf eine biowissenschaftliche Basis gestellt werden. Die Forschungsbrauerei aber ist oben auf dem "Nährberg" geblieben. Und die TU hält am praxisorientierten Diplom-Braumeister fest, dem letzten Diplom-Studiengang in Weihenstephan.

© SZ vom 30.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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