Afghanistan-Abschiebung:Staatlicher Vertrauensbruch

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Heftige Kritik an Aktion gegen Nürnberger Schüler

"Abschiebeversuch löst Tumulte aus" (1. Juni), "Herrmann rechtfertigt Einsatz" und "SPD und Grüne regen sich auf" (2. Juni):

Unverantwortliche Politiker

Man stelle sich folgenden Fall vor: Ein junger Mann flüchtet aus Afghanistan, weil er um sein Leben fürchtet. Er wird bei uns nach der zügigen Feststellung seiner Herkunft zeitig mit den Grundbedürfnissen des Lebens wie Unterkunft und Verpflegung, Betreuung und Sprachschule sowie dann vor allem Ausbildungsangebot aufgenommen, trägt damit frühzeitig zu seinem Lebensunterhalt sowie zu seinem täglichen Wohlbefinden durch eigene Leistung bei. Ihm wird nicht suggeriert, dass er ewig hier bleiben kann und soll, aber er kann sicher sein, nicht zurück in Kriegsgebiete verfrachtet zu werden.

Der junge Mann wird nach circa drei bis vier Jahren Selbstversorger mit abgeschlossener Berufsausbildung. Dann besserten sich in seinem Heimatland die Verhältnisse und er könnte zurück. Wie wird der Deutschland in Erinnerung behalten? Was kann beziehungsweise wird der zum Aufbau seines Landes beitragen? Würde uns das mehr oder weniger kosten als die heutigen Verhältnisse des jahrelangen erzwungenen Frustes und Gammelnmüssens, die wir Flüchtlingen aufzwingen?

Alternativ: Er will danach hier bleiben, weil er sich integriert, Partnerschaft gefunden, unsere Lebensweise schätzen gelernt hat? Wird der dann eine Gefahr oder eher ein wertvoller Beitrag zu unserer künftigen Gesellschaft sein? Und nun denken wir uns noch in die Polizisten hinein, die von unverantwortlich handelnden Politikern in die Nürnberger Auseinandersetzungen geschickt werden. Ob die das alle gut finden, wenn sie gegen Schüler prügelnd und mit Pfefferspray kämpfen müssen?

Und nun noch die jungen Leute, die einen afghanischen Kameraden schützen wollten, und dafür von der Polizei mit äußerster Härte beharkt wurden. Wird deren Glauben an Staat und Demokratie durch derlei gestärkt oder gebrochen? Ich glaube, es sprechen alle humanen und wirtschaftlichen Argumente für den ersten Weg. Hoffnung, dass das außer eventuell Entwicklungsminister Müller ein anderer CSU-Grande auch so sähe, habe ich allerdings absolut nicht. Alfred Münch, Olching

Druck auf die Politik

Was ich nicht verstehe, ist die weit verbreitete Klage über die fehlende Sensibilität bei der Festnahme - gemeint ist die Tatsache, dass man den jungen Mann am helllichten Tag unter den Augen seiner Mitschüler aus der Schule geholt hat. Ist eine Festnahme zur Abschiebung aus dem Schlafzimmer sensibler als eine aus der Schule? Sie geht nur weitgehend unbemerkt vor sich, führt nicht jungen Menschen live vor Augen, wie Abschiebung aussieht, ermöglicht keinen Widerstand, produziert keine hässlichen Bilder, die die Politik unter Druck bringen. Ich bin froh über die unsensible Maßnahme, ihren Medieneffekt und die politischen Konsequenzen, und ich gratuliere den Nürnberger Berufsschülern zu ihrer Solidarität und ihrem Mut. Brigitte Doerr, München

Autonomer Wahlkämpfer

Im Bayernteil berichten Sie über den Widerstand Nürnberger Berufsschüler gegen eine Abschiebemaßnahme. Der bayrische Innenminister sprach dabei von hinzugekommenen Linksautonomen. In der Mehrheit dürften es aber wohl schon Schüler gewesen sein. Das Ganze fand ja in oder in der unmittelbaren Nähe der Schule statt. Das wurde wohl vom rechtsautonomen Wahlkämpfer nicht ganz gecheckt. Klaus Holzschuher, Hof

© SZ vom 06.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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