ADAC-Rechtsexperte:Ein Test als Millionengeschäft

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Rechtsanwalt Markus Schäpe ist Leiter der Juristischen Zentrale im ADAC, wo er seit 1996 tätig ist. (Foto: oh)

Markus Schäpe über mangelnde Einsicht, unseriöse Berater und riskante Tricks

Interview von Günther Knoll, München

Zwischen 90 000 und 100 000 Autofahrer müssen sich pro Jahr in Deutschland einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) unterziehen, um ihren Führerschein zurückzubekommen. Im Zusammenhang mit diesem Test gibt es viele Gerüchte und Unklarheiten. Das weiß auch Markus Schäpe, Leiter der Rechtsabteilung beim ADAC.

SZ: Der Ruf, den die MPU hat, ist offenbar nicht der beste. Der Volksmund nennt ihn Depperltest.

Markus Schäpe: Na ja, medizinisch-psychologische Untersuchung klingt vielleicht etwas gestelzt. Aber es geht überhaupt nicht darum, jemandem intellektuelle Fähigkeiten abzusprechen. Nein, es gilt festzustellen, ob jemand die Eignung zum Fahren hat. Denn mehr als 50 Prozent der Fälle, die zur MPU müssen, haben mit Alkohol zu tun, bei rund 20 Prozent sind es Drogen und bei etwa fünf Prozent ist das Konto in Flensburg von acht Punkten überschritten. Aber das schaffen nur wenige - etwa 5000 im Jahr bei rund 60 Millionen Führerscheininhabern.

Ab wann ist bei Alkoholfahrten eine solche MPU fällig?

Bei Verfahren im Zusammenhang mit Alkohol gilt eigentlich die Grenze von 1,6 Promille. Von der an ist eine MPU Voraussetzung, damit die entzogene Fahrerlaubnis wieder erteilt wird. Es gibt inzwischen aber Gerichtsentscheide, die das auch schon bei weniger Promille zur Voraussetzung machen. In Baden-Württemberg wird eine MPU schon bei 1,1 Promille fällig. Da sind die gesetzlichen Vorschriften furchtbar interpretationsfähig. Eine Vereinheitlichung soll beim nächsten Verkehrsgerichtstag im Januar Thema sein.

Die MPU legt ja in der Regel Auffälligkeiten zum Beispiel im Umgang mit Alkohol offen. Ist denn bei den Probanden die Einsicht vorhanden, dass sie ihr Verhalten ändern müssen, oder geht es ihnen nur darum, diese Untersuchung zu schaffen?

Die meisten kommen erst zu einer Beratung, wenn sie bei der ersten MPU durchgefallen sind. Leider, denn der ADAC berät ja auch in Sachen MPU, und es gibt Listen mit den Begutachtungsstellen. Außerdem gibt es auch gutes amtliches Informationsmaterial zur Vorbereitung und Informationsabende. Allein ich habe am Tag mehrere Telefonanrufe deshalb, in unserer Abteilung geht das pro Jahr in die Tausende.

Die Vorbereitung auf die Untersuchung scheint eine lukrative Sache zu sein. Es gibt eine lange Liste von Anbietern. Manche versprechen sogar eine Geld-zurück-Garantie.

Ja, das ist tatsächlich ein Millionengeschäft. Da gibt es auch Anbieter, die hochgradig unseriös sind. Man kann sich doch nicht einfach für alle möglichen Fragestellungen im psychologischen Gespräch präparieren lassen, ohne auf das Alkoholproblem einzugehen. Der Prüfer merkt das auch, ob jemand die Antworten schon auswendig vorbereitet hat. Und eine Garantie kann sowieso niemand geben.

Es gibt auch noch den Tipp mit dem EU-Führerschein, den man sich in einem anderen Land ausstellen lassen kann.

Wir nennen das dann Führerscheintourismus. Aber dazu muss jemand schon glaubhaft nachweisen, dass er seinen Lebensmittelpunkt dorthin verlegt hat. Wenn es einer mit einer Scheinadresse versucht, merkt das die Behörde sofort. Dann steht womöglich noch ein Betrugsverfahren an. Vor solchen Angeboten kann man nur warnen.

Man kommt also, wenn man den Führerschein wiederhaben will, um den Test nicht herum. Ist denn der in seiner jetzigen Form sinnvoll?

Ein besseres Instrument, um für den Führerschein ungeeignete Leute herauszufischen, gibt es nicht. Natürlich kann die MPU optimiert werden. Die Grenze von 1,6 Promille Alkohol liegt deutlich über dem, was Sie oder ich überhaupt schaffen könnten. Es wird immer wieder daran herumgeschraubt, um das Ganze rechtssicher zu machen. Es geht darum, dass die Behörde mithilfe dieses Gutachtens feststellen kann, ob einer mit seiner Fahrerlaubnis eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt.

© SZ vom 17.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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