Abhörschutz:Ich höre was, was du nicht siehst

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Geheimdienste und Industriespione werden immer raffinierter, wenn sie geheimen Informationen lauschen. Für den Grasbrunner Sicherheitsexperten Herbert Mangstl ist das eine Herausforderung: Seine Technik muss noch besser sein

Von Markus Mayr

Wer sich mit Herbert Mangstl unterhält, dem wird schnell klar, dass jeder jederzeit belauscht werden kann. Nicht einmal in seinem Büro sind Gesprächspartner davor gefeit. Das wirkt etwas verwunderlich, schließlich ist es Mangstls Geschäft, Abhörschutz zu verkaufen. Sicherheitsvorkehrungen seien zwar getroffen worden, sagt er, hundertprozentiger Schutz jedoch sei nicht gegeben. Mangstl ist Vertriebsleiter der Firma Emshield, die ihren Sitz in Grasbrunn hat. Sie hat nur sechs Mitarbeiter, zu ihren Kunden zählen aber die Europäische Union, deutsche Unternehmen im Ausland oder der turkmenische Präsident. Herbert Mangstl sagt von seiner Branche, dass sie "boomt", seitdem Edward Snowden vor knapp drei Jahren die Machenschaften des US-Geheimdiensts NSA enthüllt hat. Umsatzzahlen möchte der Geschäftsmann keine nennen. Eine Erklärung hat er trotzdem parat. "Mit Sicherheit ist es immer so: Es muss erst etwas passieren, bevor etwas entwickelt wird", was vor der Gefahr schützt, sagt Mangstl.

In den Anfangsjahren der Grasbrunner Firma, die eine deutsche Tochter der Albatross Projects Company ist, ging es weniger um Lauschabwehr als vielmehr um Medizintechnik. Zu Beginn der Nullerjahre hat das Unternehmen, das damals noch Emscreen hieß, "nichts anderes gemacht als in Krankenhäusern Räume abzuschirmen", erzählt der Vertriebsleiter. Sensible medizinische Messungen werden leicht verfälscht, wenn jemand in der Nähe sein Handy auspackt. Inzwischen hat die Firma ihr Hauptgeschäft auf den Abhörschutz verlegt.

Der Palast des turkmenischen Präsidenten Gurbanguly Berdimuhamedow (re., neben US-Außenminister John Kerry) wirkt transparenter, als er ist. (Foto: Brendan Smialowski/AFP)

Seit bekannt ist, dass die NSA sowohl Telefongespräche von Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch von ihrem Vorgänger Gerhard Schröder abgehört hat, zweifelt wohl niemand mehr daran, dass Geheimdienste überwachen, wo sie nur können. Aber nicht nur Staaten lassen spionieren, auch Firmen versuchten, "mit Mitteln und Methoden der Spionage" von ihren Wettbewerbern "marktrelevantes Know-how zu beschaffen", schreibt der ehemalige Vizechef des Bundesverfassungsschutzes, Alexander Eisvogel, in einer Studie über Industriespionage. Mit dieser Gefahr beschäftigte sich unlängst erst die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz. Und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) warnt: "Durch Wirtschaftsspionage entstehen deutschen Unternehmen jährlich Schäden in zweistelliger Milliardenhöhe."

Das Bundesamt zeichnet Firmen aus, die gewisse Qualitätsstandards in der Lauschabwehr erfüllen. Nach eigenen Angaben hat das Grasbrunner Unternehmen die entsprechenden Zertifikate. Es baut abhörsichere oder - eine Sicherheitsstufe darunter - abhörgeschützte Räume wie etwa Konferenz- oder Sitzungssäle. Und es führt sogenannte Sweeps durch, bei denen Mitarbeiter aktiv nach Lauschern suchen: Mit Detektoren scannen sie Leitungen nach unerwünschten Anzapfstellen ab sowie Böden, Wände und Decken nach elektronischen Geräten. Halbleiterdetektoren finden sie, selbst wenn diese ausgeschaltet sind. Mangstl demonstriert das an einer Fernbedienung, die Anzeige des Detektors schlägt aus. Mit einem mobilen Röntgengerät durchleuchten sie die Einrichtung eines Zimmers - etwa das teure Geschenk des Geschäftspartners, das nun dekorativ auf dem Schreibtisch des Chefs steht.

Mit diesem Gerät spürt Mangstl Wanzen auf. (Foto: Claus Schunk)

Doch selbst wanzenfreie Räume können ohne entsprechenden Schutz noch abgehört werden - mit einem Lasermikrofon etwa. Mangstl erklärt, dass Geräusche und Stimmen Gegenstände in Schwingung versetzen. Der Laser des Mikrofons messe diese Schwingung und übersetze sie in eine Tonspur. Wer dabei an surreale Elektronik aus Spionagefilmen denkt, der irrt. "Das ist längst keine James-Bond-Technik mehr", sagt Mangstl. Die Fenster in seinem Büro sind deshalb mit einem Laserschutz versiegelt. Dass auch Computertastaturen aus der Ferne mit simplem technischen Gerät abgehört werden können, zeigt eindrucksvoll das Youtube-Video "Tempest Keyboard Eavesdropping": Mit einer Antenne und einem Empfänger hören Schweizer Wissenschaftler ab, was auf einer Tastatur geschrieben wird. Ein Computer entschlüsselt die elektromagnetischen Signale, die von der Tastatur ausgehen, sobald jemand ihre Tasten anschlägt.

Völlig abhörsicher ist ein Raum laut Emshield nur, wenn er im Gebäudekern oder unterirdisch gelegen ist und eine Schirmung aus Stahlblech besitzt. Doch "kein Vorstandsmitglied würde sich in so einen Kasten reinsetzen", sagt Mangstl. Die Top-Manager der Wirtschaft wollen es etwas luftiger. Also müssen für Büros und Konferenzräume Fenster her, deren Oberfläche versiegelt ist mit abstrahl- und abhörgeschützten Folien. Das Interieur muss ansprechend sein - die abschirmenden Kupferbleche in den Wänden bleiben unsichtbar.

In Turkmenistan benötigt Herbert Mangstl ausgefeilte Technik. Er machte Räume im dortigen Präsidentenpalast abhörsicher. (Foto: Mustafa Ozer/AFP)

Abhörschutz ist also nicht unbedingt nur High-Tech. Die Kunst liegt laut Mangstl darin, ihn so zu verstecken, dass er nicht auffällt. 2009 habe seine Firma mit ihren Partnern drei Zimmer im Palast des Präsidenten von Turkmenistan abhörgeschützt ausgebaut. "Das ganze Gebäude war vergoldet wie aus 1001 Nacht", sagt Mangstl. "Irre." Auf einem Foto - das nicht zu veröffentlichen ist - ist der Abhörschutz tatsächlich nicht zu erkennen.

Und manchmal scheint für die Auftraggeber der Schutz vor dem Abhören nur eine Nebensache zu sein. "Von unseren Kunden kriegen wir die Rückmeldung, dass die Vorstände die geschützten Räume sehr gerne nutzen", sagt Mangstl. "Weil keine Handys darin funktionieren und sie sich so ungestört besprechen können. Und nicht alle zehn Minuten jemand aufsteht und telefonieren geht."

© SZ vom 16.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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