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In der Geschichte der Münchner Flughäfen spiegelt sich das rasche Wachstum der Stadt

Von Jakob Wetzel

Die Boeing 747-100, der sogenannte "Jumbo", ist auch heute noch eine eindrucksvolle Maschine. Von der Nase bis zum Heck misst sie rund 70 Meter, mehr als doppelt so viel wie ein klassisches Mittelstreckenflugzeug, und fasst mehr als vier Mal so viele Passagiere, nämlich 550. Im Sommer 1970 landete der erste Jumbo-Jet der Lufthansa in München-Riem, auf einem damals boomenden Flughafen, der bereits an der Grenze seiner Kapazität arbeitete. Erstmals in der Geschichte der Stadt starteten und landeten in jenem Jahr mehr als 100 000 Flugzeuge in München, und Riem zählte 3,5 Millionen Fluggäste - ein Jahr zuvor waren es fast eine Million weniger gewesen. Überhaupt war der Flughafen noch wenige Jahre zuvor noch ländlich geprägt gewesen: Jetzt dagegen hatte er Mühe mitzuhalten.

An kaum einem Ort lässt sich das Wachstum Münchens so veranschaulich wie an den Flughäfen der Stadt. Geflogen wurde hier schon im 19. Jahrhundert, Fesselballons und Luftschiffe steuerten das Oberwiesenfeld an, eine Fläche, die längst von der Stadt geschluckt worden ist; heute befindet sich dort unter anderem der Olympiapark. Ab 1909 starteten und landeten hier Militärflugzeuge, von 1920 an auch zivile. 1931 eröffnete die Stadt hier ihren ersten voll funktionsfähigen Verkehrsflughafen mit allem, was dazugehört: einem Bürogebäude, einem Haus für die Abfertigung von Passagieren und einer Flugzeughalle.

Doch schon kurz nach der Eröffnung wurde klar, dass das Gelände für einen langfristigen Betrieb zu klein sein würde. Noch dazu wurden die Fluggeräte immer größer. Ein neuer Flughafen musste her, und zwar weit vor der Stadt im Osten gelegen, eben in Riem. In Betrieb genommen wurde dieser im Oktober 1939, kurz nach Beginn des Krieges. Zunächst wurde er vornehmlich von der Luftwaffe genutzt, zivile Luftfahrt gab es hier erst 1948 wieder. Doch es folgten Jahre des Wachstums. Und so plante die Stadt, auch wegen verschiedener Unglücke, einen neuen, leistungsfähigeren Flughafen, noch weiter draußen.

Am 16. und 17. Mai 1992 wurde der Flugbetrieb innerhalb von 24 Stunden ins Erdinger Moos verlegt, in Riem entstanden fortan Wohnungen, ein Park und ein Messegelände. Und heute steht im Nordosten Münchens ein internationaler Großflughafen, den 2014 fast 40 Millionen Fluggäste benutzten und auf dem im selben Jahr mehr als 300 000 Tonnen Fracht ver- und entladen wurden.

Freilich: Im Vergleich mit dem Schienen- und dem Straßenverkehr ist das nicht viel. Der Münchner Hauptbahnhof etwa zählt im Jahr weit mehr als 150 Millionen Reisende. Deutschlandweit wird dem Statistischen Bundesamt zufolge mehr als 80 Mal so viel auf Schienen transportiert wie durch die Luft. Beim Güterverkehr über die Straße ist das Verhältnis zur Luftfracht gar 757 zu eins, allerdings sind hier die zurückgelegten Strecken kürzer.

Und doch: Nach Passagierzahlen gehört der Münchner Flughafen zu den sieben größten in Europa, und er bringt der Region Arbeit und Geld. Laut einer Studie der Industrie- und Handelskammer (IHK) arbeiten in etwa 550 Firmen auf dem Campus mehr als 32 000 Menschen, weitere knapp 20 000 Arbeitsplätze in der Region sind demnach vom Flughafen abhängig.

Wie es weitergeht, ist aber offen. Schon der Bau des Flughafens im Erdinger Moos war begleitet gewesen von zahllosen Klagen wegen des zu erwartenden Fluglärms, ebenso verhält es sich beim Gezerre um eine dritte Startbahn. Beide Parteien haben die Zahlen auf ihrer Seite: Erstere verweisen auf steigende Passagierzahlen; Letztere halten dagegen, dass die Zahl der Flugbewegungen zuletzt sank, von 410 000 im Jahr 2011 auf noch 377 000 im Jahr 2014 - ganz zu schweigen von den künftigen Belastungen für die Anwohner. Und so steht der Flughafen im Erdinger Moos wie die anderen Münchner Flughäfen zuvor im Konflikt mit seinen Nachbarn. Neu ist nur, dass keine Münchner mehr betroffen sind, sondern die Einwohner zum Beispiel von Freising und Erding.

© SZ vom 21.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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