Papst und Aids:"Es ist fahrlässige Tötung"

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Die Kondom-Warnung des Papstes und Aids: Thomas Niederbühl, Chef der Münchner Aidshilfe, erklärt, was er von den Äußerungen des Kirchenoberhaupts hält.

Lisa Sonnabend

Zum Auftakt seiner Afrika-Reise sagte Papst Benedikt XVI., Kondome würden das Aids-Problem nicht nur nicht lösen, sondern sogar verschärfen. Thomas Niederbühl, Geschäftsführer der Münchner Aids-Hilfe e.V und Stadtrat der Rosa Liste in München, erklärt, was er von den päpstlichen Äußerungen hält - und was sie für den Kampf gegen Aids bedeuten.

"Es ist lästig und störend, sich immer wieder mit Aussagen wie der vom Papst konfrontiert zu sehen": Thomas Niederbühl. (Foto: Foto: ddp)

sueddeutsche.de: Wie haben die Mitarbeiter der Münchner Aidshilfe auf die Äußerungen reagiert?

Thomas Niederbühl: Wir sind entsetzt, dass es überhaupt keine Veränderungen gibt bei der katholischen Kirche. Die Aussage des Papstes ist zwar nicht neu - wir bedauern aber, dass die Kirche sie immer und immer wieder wiederholt und überhaupt keine Lernfähigkeit zeigt. Eigentlich wäre es Aufgabe eines Papstes, klar zu sagen: Kondome schützen und deswegen sind wir dafür.

sueddeutsche.de: Der Papst hat sogar gesagt, dass Kondome das Problem Aids sogar noch verschärfen ...

Niederbühl: Das ist absurd. Es ist fahrlässige Tötung, wenn man den Leuten Informationen verweigert und verschweigt, wie man sich schützen kann. Wir verstehen überhaupt nicht, dass man einen Gegenstand - ein Kondom - moraltheoretisch belegt. Man kann ja das Kondom als Verhütungsmittel ablehnen - aber zum Schutz vor HIV muss man für Kondome sein, wenn das Leben den größten und höchsten Wert bedeutet.

sueddeutsche.de: Ist der Kampf gegen Aids allein mit Kondomen zu gewinnen?

Niederbühl: Wir geben dem Papst recht, mit dem Kondom allein ist das Problem Aids nicht gelöst. Es muss natürlich mehr passieren. Der Kampf ist nur zu gewinnen, wenn man ganz auf Aufklärung setzt. Alle Menschen müssen wissen, wo die Risiken liegen und wie man sich in Risikosituationen schützen kann.

sueddeutsche.de: Welche Auswirkungen haben die Äußerungen des Papstes auf die Situation in Afrika?

Niederbühl: Der Papst hat Einfluss. Er wird gehört und deswegen schaden seine Äußerungen. Er erschwert den katholischen Organisationen und Aids-Experten vor Ort das Arbeiten. Zwar gibt es immer noch einen Unterschied zwischen dem, was der Vatikan und der Papst sagt, und dem Geschehen vor Ort - Kondome werden ja trotzdem verteilt. Der Spagat für die Organisationen ist aber oft nicht leicht.

sueddeutsche.de: Die Münchner Aidshilfe gibt es seit 25 Jahren. Was hat sie bewirken können?

Niederbühl: Wenn man die Infektionszahlen auf die Einwohner herunterrechnet, steht nur Andorra besser da als Deutschland. Trotz der tragischen Schicksale ist die Aidshilfe also eine Erfolgsgeschichte und diese Erfahrungen muss man transferieren. Die Organisationen lernen voneinander.

sueddeutsche.de: Wird sich in Afrika die Aids-Problematik in den kommenden Jahren weiter verschlimmern?

Niederbühl: Die Infektionsrate in Afrika ist enorm hoch. Über 60 Prozent der weltweit Betroffenen leben in Afrika. Ich bin der festen Überzeugung, dass Vernunft und Pragmatismus sich durchsetzen werden. Das wird auch in Afrika passieren. Die Organisationen, die dort aktiv sind, wissen, wie man sich vor Aids schützen kann und was man den Leuten raten muss. Es ist lästig und störend, sich immer wieder mit Aussagen wie der von Benedikt XVI. konfrontiert zu sehen. Aber ich bin sicher, die Schutzaktionen vor HIV werden funktionieren - auch wenn es ein langwieriger Prozess werden wird.

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