Florian Langenscheidt:"In München gibt es mehr Grund zu Optimismus"

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Florian Langenscheidt hat ein Buch über Optimismus geschrieben. Uns erzählte er, warum eine positive Grundeinstellung wichtig ist.

Christina M. Berr

sueddeutsche.de: Sie leben in Berlin und München - wo sind denn die größeren Optimisten zu Hause?

Ein Experte in Sachen Optimismus: Florian Langenscheidt. (Foto: Foto: Robert Haas)

Langenscheidt: In München gibt es mehr Grund zu Optimismus angesichts der Schönheit der Stadt und ihrer wirtschaftlichen Stabilität. Berlin ist ja gerade dabei, sich selbst auf einzigartige Weise neu zu erfinden und braucht dazu viel Optimismus.

sueddeutsche.de: Das heißt, Sie leben lieber in München?

Langenscheidt: Nein, ich bin extrem interessiert an dem Wandel in Berlin und finde den Spagat zwischen beiden Städten momentan unglaublich spannend. Und gerade im Osten gibt es viele Vorbilder: Die Menschen, die es dort geschafft haben die Mauer friedlich umzustürzen, waren ganz große Optimisten.

sueddeutsche.de: War das nicht eher Verzweiflung und Wut als Optimismus?

Langenscheidt: Beides war sicher der Auslöser. Jeder Optimist hat ja auch kritische und pessimistische Seiten in sich und braucht das zum Überleben, denn Pessimismus lenkt die Aufmerksamkeit auf das, was schiefgehen kann in der Welt.

sueddeutsche.de: Vermutlich haben Pessimisten öfter Recht.

Langenscheidt: Statistisch gesehen vielleicht ja. Produktiver sind aber in jedem Fall die Optimisten mit ihrem Willen, Dinge zu verbessern.

sueddeutsche.de: Haben Sie noch ein paar Tipps für Pessimisten, die Optimisten werden wollen?

Langenscheidt: Sich an kleinen Dingen freuen lernen und Dankbarkeit für Vieles zu entwickeln ist ein wichtiger Schritt. Ein ausgewogenes Leben mit starker Familie und vielen Freunden ist sicher hilfreich. Doch wenn jemand schon ein paar Jahrzehnte Pessimist ist, wird es schwer sein, ihn von einem Tag auf den anderen umzumodeln. Und das will auch niemand.

sueddeutsche.de: Das wollen Sie nicht?

Langenscheidt: Ich habe keinen missionarischen Eifer. Ich finde bloß, dass eine positive Grundhaltung die Welt weiter bringt und auch persönlich glücklicher macht. Wenn ich da Impulse für konstruktives Engagement gebe, freue ich mich. Es hieße aber, die Möglichkeit des Buches zu überschätzen, wenn man glauben würde, dadurch die Welt verändern zu können.

sueddeutsche.de: Was hat sie denn zum Optimisten gemacht?

Langenscheidt: Vorgelebt hat das mein Vater. Der läuft auch mit über 80 Jahren noch pfeifend die Treppen im Verlag hoch - immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Und dann gab es ein entscheidendes Erlebnis: Ich bin nach dem Abitur nach Frankreich gegangen und habe freiwillig Sozialarbeit in einem Heim für jugendliche Ex-Strafgefangene geleistet. Dort, umgeben von Sinnverlust und Gewalt, spürte ich, wie man mit Optimismus auch extrem schwierige Situationen meistern kann.

sueddeutsche.de: Deutsche sind ja eher pessimistisch, oder?

Langenscheidt: Durch die von uns zu verantwortenden schrecklichen Geschehnisse im 20. Jahrhundert sind wir schon eine eher eine pessimistische Nation geworden. Allerdings werden wir durch Kampagnen wie "Du bist Deutschland" und noch viel mehr durch die Fußballweltmeisterschaft langsam wieder optimistischer, und das freut mich sehr. Spätestens seit 2006 haben wir eine Trendwende. Die Stimmung im Lande wird spürbar besser.

sueddeutsche.de: Das sagen Sie ausgerechnet jetzt während der Kapitalmarktkrise?

Langenscheidt: Na, die USA mit ihrer übertriebenen Gier und ihrer absoluten Unlust, Dinge zu regulieren, zeigen plötzlich, wie so etwas total umkippen kann. Und wir, die wir uns lustig gemacht haben über Basel II - also Regeln für die Banken und deren Kreditvergabe-, und Sparkassen als konservativ belächelt haben, merken auf einmal, dass unser System im Gegensatz zu den USA viel stabiler ist. Von daher glaube ich nicht, dass wir in Deutschland grundsätzlichen Grund zu Pessimismus haben müssen.

sueddeutsche.de: 66 Stichworte zum Thema Optimismus. Allerdings fehlt das Stichwort "Optimismus".

Langenscheidt: Das stimmt, ich habe es mit Absicht umgangen und umkreise das Phänomen als eine lebenswichtige Einstellung von allen möglichen Richtungen.

sueddeutsche.de: Wie wäre denn eine kurze Definition?

Langenscheidt: Optimismus macht ein Licht an in der Welt. Er schafft die Fähigkeit, die Dinge, die schön sind auf der Welt, zu genießen und lässt die Energie ziehen, gegen all die Dinge, die schrecklich sind auf dieser Welt, zu kämpfen.

sueddeutsche.de: Also sind Optimisten vor allem Idealisten?

Langenscheidt: Nein! Der Optimist glaubt ja, dass nicht per se alles schrecklich ist und dass es sich lohnt daran zu arbeiten, damit das Schreckliche besser wird. Der Idealist setzt alles dafür ein, die Welt so zu gestalten, dass sie den eigenen Idealvorstellungen näher kommt. Idealismus muss sich schon den Vorwurf gefallen lassen, unrealistisch zu sein. Und dass Ideale nicht immer so ideal sind. Kurz gesagt, der Idealist ist ein Missionar und der Optimist nicht.

sueddeutsche.de: Eine Welt voller Optimisten wäre vermutlich unerträglich.

Langenscheidt: Das ist unvorstellbar. Aber Optimismus ist ja kein Dauerlächeln, mit dem man jeden Anstecken will, sondern eine Grundhaltung, die einerseits sagt: Ich kann dankbar sein für vieles, anderseits möchte ich gleichzeitig kämpfen für eine bessere Welt.

Florian Langenscheidt liest am Montag, 13. Oktober, um 20 Uhr im Münchner Literaturhaus aus seinem "Wörterbuch des Optimisten", Heyne Verlag, 10 Euro.

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