DJ Martin Matiske:Techno-Wunderkind

"Komm mich doch mal besuchen in meinem Büro. Gruß, DJ Hell": Als Elfjähriger hat Martin Matiske das erste Mal im Technoclub "Ultraschall" aufgelegt. Nun sucht der 23-Jährige neue Wege in der Musik.

Rita Argauer, SZ-Jugendseite

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DJ Martin Matiske: Als Elfjähriger hat Martin Matiske das erste Mal im legendären Münchner Technoclub "Ultraschall" aufgelegt, drei Jahre später erschien seine erste Platte. Jetzt sucht der 23-Jährige neue Wege in der Musik.

Als Elfjähriger hat Martin Matiske das erste Mal im legendären Münchner Technoclub "Ultraschall" aufgelegt, drei Jahre später erschien seine erste Platte. Jetzt sucht der 23-Jährige neue Wege in der Musik.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Bei Ravel leuchten seine Augen, bei Brahms auch. Und bei Bach, bei dem sowieso. Mit Klassik beschäftige er sich viel im Moment, sagt er. Der etwas schüchterne junge Mann lächelt, ist sich, so wirkt es zumindest, kurz der kontrovers scheinenden Aussage bewusst - nur kurz, dann schwärmt er weiter über klassische Musik. Seit mehr als zehn Jahren ist Martin Matiske schon DJ, Techno-DJ. Zuerst als kindlicher Protegé von DJ Hell, dann auf eigenen Füßen.

"Seit September gehe ich wieder zur Schule, um das Abitur machen. Außerdem hat man dann mehr Zeit für Musik", erklärt er. Aufgelegt hat er seitdem nicht mehr. Ein bisschen war er damals das junge Wunderkind der Szene - als er als Elfjähriger das erste Mal im legendären Münchner Technoclub "Ultraschall" auflegte und drei Jahre später seine erste Platte auf Gigolo Records veröffentlichte. Jetzt, mit 23, sucht er neue Wege; für sich und für seine Musik. Nachdem er eine Karriere hinter sich hat, die andere in seinem Alter erst beginnen.

"Das war eigentlich alles ein Zufall, damals. Und fing damit an, dass ich mit zehn Jahren die Loveparade im Fernsehen gesehen habe", erklärt er den Beginn seiner Begeisterung für Techno und die DJ-Kultur. Er wurde zum Nerd. Saß jeden Samstag im Münchner Plattenladen "Bam Bam". Kaufte Platten, hörte Platten. Mit Platten meint er Vinyl-LPs, er legt ausschließlich mit Vinyl auf: "Es ist das Gefühl, wenn man mit Platten spielt - der Sound auf einer Platte klingt viel wärmer, flüssiger: wie Wachs, vor allem, wenn man verschiedene Musikstücke ineinander mixt."

Das Ineinandermischen von Musikstücken war es auch, was ihn von Anfang an so gereizt hat. Irgendwann, nach unzähligen Samstagen im "Bam Bam-Plattenladen übergab ihm der Besitzer eine Vinyl-Platte von DJ Hell - mit weißem Label; also mit einem unbedruckten Aufkleber in der Mitte. "Hallo Martin. Komm mich doch mal besuchen in meinem Büro. Gruß, DJ Hell", stand handschriftlich auf dem Label der Platte. Der Besitzer des "Bam Bam" hatte dem erfolgreichen DJ, dem musikalischen Pionier, der Institution in der deutschen Techno-Szene von dem verrückten Knirps erzählt, der hoch konzentriert jeden Samstag bei ihm im Laden sitzt.

Dieser Einladung folgte Martin natürlich. "Und davor habe ich noch ein Mixtape zusammengestellt, das ich ihm überreicht habe", erzählt er. Es war der Beginn seiner Karriere - denn daraufhin lud ihn DJ Hell zu einer Radioshow ein. Und dann zu einem Abend im "Ultraschall". Um richtig aufzulegen - ein DJ-Set zu spielen. "Natürlich war mein Vater dabei - sonst hätte ich gar nicht rein gedurft", sagt er und gibt zu, dass es auch etwas seltsam gewesen sei. Aber es kam an. Von da an ging es voran - er spielte in Clubs, machte immer mehr Radioshows und fing an, am Computer Techno-Tracks zu schreiben.

Als er die Realschule abgeschlossen hatte, stürzte er sich erst einmal Vollzeit ins Nachtleben - zum Auflegen. Die Ernsthaftigkeit, mit der er davon erzählt, die Gewichtung, die er dieser Szene gibt, deren erste Assoziation Rausch, Party und Exzess ist, scheint nicht zusammen zu passen: Martin ist extrem idealistisch, was seine Musik betrifft. Party hin, Party her - die Musik stehe für ihn im Vordergrund: "Das wussten auch meine Eltern, dass es mir nie um Drogen und Party ging, deshalb hatten sie überhaupt kein Problem damit, dass ich so früh damit begonnen habe."

Mozart - ein Macher von Party-Sound

So scheint es nur konsequent zu sein, dass ihn jetzt die Klassik mit ihren komplexeren Formen so reizt: Eine neue Formsprache für die Club-Musik wolle er finden. Diese solle melodischer sein - weiterführender und schlauer. "Man muss die Leute trainieren, damit sie kompliziertere Formen verstehen", erklärt Martin und fügt an, dass Mozart zu seiner Zeit auch der Macher von Party-Sound gewesen sei. Sobald er von Musik spricht, weicht seine Zurückhaltung einer Euphorie.

Im Moment sei es sehr schwer, als DJ zu leben. "Ich bin da sehr kritisch. Es gibt so viele DJs, die Gagen gehen runter, und es ist außerdem viel leichter geworden, aufzulegen - durch Computer, Laptops - einfacher, aber nicht besser." Deshalb mache er nicht einfach damit weiter, womit es die vergangenen zehn Jahre so gut funktioniert hat. Er denke zukunftsorientiert und möchte in seinem Leben mehr erreichen - mehr, als immer nur Platten aufgelegt zu haben.

Als er mit der Berufsoberschule begann, hörte er mit dem regelmäßigen Auflegen auf - wegen der Probezeit der Schule. Von der Musik los kommt er aber trotzdem nicht: Er wolle Komposition studieren, wenn er das Abi habe, sagt er. Die Diskrepanz zwischen seiner konsequenten Disziplin, mit der er sich in seine Ideen stürzt, und dem Hedonismus der weltweiten Techno-Szene, in der die Leute feiern, trinken und tanzen, formt seine Kunst. Wenn er auflegt, gehe es ihm nicht darum, die Leute beim Tanzen zu halten: Er stellt sich den Club vor - räumlich - und überlegt, welche Musikstücke passen. Sein Anspruch ist hoch. Vielleicht zu hoch.

Schon in seiner Zeit als Vollzeit-DJ nach der Mittleren Reife war ihm klar, dass das nicht sein einziges Standbein sein könne. Er begann eine Ausbildung zum Kaufmann für audiovisuelle Medien, falls er mal ein eigenes Label aufmachen möchte. In dieser Zeit ist er - neben der Ausbildung - viel herumgereist, hat in Barcelona aufgelegt und in Wien; und in jedem Szene-Club Münchens. In einer Zeit, in der Elektro-Musik immer angesagter wurde , aber sein Interesse an Musiktheorie, an Klassik und Komposition wuchs: "Ich will weg von den durchgehenden Wiederholungen des Club-Sounds.

Ich schreibe jetzt Songs und will mehr Experimente machen", erklärt er selbstbewusst. Das könne auch im Club funktionieren - man müsse das Publikum nur richtig an die Musik heranführen. Trotzdem will er wieder auflegen - die neu eröffnete Blumenbar reize ihn sehr: "Und es macht einfach Spaß, Musik ineinander zu mischen - vor allem wenn es so richtig laut ist."

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