Stars bei Soaps und Telenovelas:Karrierefalle Seifenoper

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Jeanette Biedermanns geplante Rückkehr zur Sat 1-Serienschmonzette "Anna und die Liebe" macht deutlich: Sich aus dem Daily-Soap-Sog freizuschwimmen, fällt jungen Schauspielern immer schwerer.

Rupert Sommer

Wer sich aus einer deutschen Fernseh-Vorabendserie, die in den Studios von Köln, München und Berlin-Babelsberg wie Fließbandware gefertigt werden, verabschiedet, kann froh sein, wenn seine Figur nicht erschossen, vom Auto überfahren oder sonst wie unschön aus dem Leben scheidet. Als die Schauspielerin und Popsängerin Jeanette Biedermann im Januar ihre Sat 1-Endlosserie Anna und die Liebe verließ, wurde ihr immerhin ein neues Leben jenseits des großen Teichs, im fernen Amerika, angedichtet, wohin diesmal die Fernsehkameras nicht reichten.

Telenovelas und Soaps
:Schnulzen am Nachmittag

"Anna und die Liebe", "Bianca - Wege zum Glück" oder "Gute Zeiten, schlechte Zeiten": Nachmittags schnulzt ddas Fernsehen im Serienhimmel. Das Ganze4 ist nahrhaft wie Zuckerwatte.

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Nun wird Biedermann, die sich eigentlich um ihre zuletzt etwas vernachlässigte Musikkarriere kümmern wollte, zu der Schmonzette zurückkehren. Fast wie im Déjà-vu-Klassiker Und täglich grüßt das Murmeltier scheint Biedermann in einer Endlosschleife festzustecken. "Der Sender freut sich sehr, wenn das passiert", heißt es bei Sat 1. Dort wird das Sternchen sehnlich zurückerwartet - als Quoten-Anschieberin am umkämpften Vorabend. "Wenn sie zurückkehrt, sollte das dauerhaft geschehen", weist man bei Sat 1 Gerüchte zurück, es handle sich nur um ein temporäres Gastspiel. Biedermann liegt da voll im Trend.

Während Produktionsbudgets zusammenschmelzen und die Sender den Preisdruck an TV-Produzenten und diese ihn an die Darsteller weitergeben, kehren Soap-Stars immer häufiger in das Seifenopernmilieu zurück: Lorenzo Patané, seit dem Start der ARD-Erfolgstelenovela Sturm der Liebe eine begehrte Projektionsfigur für schwitzige Teenager-Sehnsüchte, erlebt eben erst sein Comeback an alter Wirkungsstätte. Im "Fürstenhof", dem Luxushotel, in dem Liebeswirren der Süßstoffromanze ihren Ausgangspunkt nehmen, hat er sich die Kochschürze wieder umgehängt. Die hilft gegen allzu viel Sauce.

Auch bei den ZDF-Kollegen leistete man der Serien-Inzucht Vorschub: Als Titelheldin für die neue Vorabend-Telenovela Lena, deren Dreharbeiten Anfang Juli in Köln begonnen haben, hat man auch hier im Seichten geangelt. Die Titelrolle, die allen Gerüchten zum Trotz nichts mit Lena Meyer-Landrut zu tun haben wird, spielt Jessica Ginkel. Und die kennen fleißige Serienseher als Publikumsliebling aus der RTL-Soap Gute Zeiten, Schlechte Zeiten (GZSZ). Auch hier eine Gefangene in der Endlosschleife? Vermutlich.

Die guten Zeiten, in denen sich Schauspieler berechtigte Hoffnungen machen konnten, aus einer Vorabend-Seifenoper zum TV-Star aufzusteigen, sind offenbar vorbei. Til Schweiger, einst Mitbewohner "Jo Zenker" der ARD- Lindenstraße, heute Erfolgsfilmemacher und Beinahe-Hollywoodstar, und GZSZ-Blondchen Alexandra Neldel müssen immer noch als prominenteste Beispiele dafür herhalten, dass einst der Absprung möglich war. Doch das ist lange her.

Für die etwas einfallslose Wiederverpflichtung von Blondinen der Biedermann-Welt müssen sich die Programmverantwortlichen nicht selten leisen Spott der Branche gefallen lassen. "Gibt's denn in dieser Nettigkeitsklasse keine andere?", fragt Stefan Raiser. Der Münchner TV-Produzent dreht derzeit für RTL das aufwendige Action-Movie Kung Fu Mama - Agentin mit Kids und ist stolz, dass er nach mühevollem Casting recht unverbrauchte Gesichter gefunden hat.

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Dass TV-Karrieren nicht immer planmäßig bergauf streben, sondern bei Telenovelas und Daily Soaps hängen bleiben, ist für Antoine Monot Jr., Vorstand des Bundesverbandes der Film- und Fernsehschauspieler und selbst Darsteller in Filmen wie Absolute Giganten oder Henri 4, ein bekanntes Phänomen. Der Fall Biedermann erinnert ihn "ein bisschen an das Modell Howard Carpendale", wie er grinsend kommentiert. "Nicht selten schaut man sich nach seinem groß verkündeten Abschied um", so Monot, "und sagt sich plötzlich: Irgendwie war das doch nicht so schlecht, was ich damals gemacht habe."

Einmal weg - und wieder da: Jeanette Biedermann spielt wieder bei "Anna und die Liebe" - und eigentlich ist alles wie 2008, als sie für den Start der Serie warb. (Foto: ag.dpa)

Er selbst macht sich mit dem Verband dafür stark, dass den schätzungsweise 14.000 Film- und Fernsehschauspielern in Deutschland möglichst faire Löhne gezahlt werden und möglichst viele Kollegen Arbeit haben. So gesehen stört ihn natürlich die Tatsache, dass viele Sender - aus mangelndem Risikobewusstsein oder aus Einfallslosigkeit - immer häufiger auf dieselben wenigen Gesichter setzen, und das nicht nur bei den gut verdienenden Stars aus der Christine-Neubauer-Liga, sondern auch bei den Telenovelisten. "Hierzulande kommt es viel zu selten vor, dass Schauspieler von den Sendern gezielt aufgebaut werden", klagt Monot über die mangelnde Nachwuchsarbeit und fordert mehr Mut zum Risiko ein. "Es wäre zu wünschen, dass vor allem die Privatsender Schauspieler auch mal in verschiedenen Sparten einsetzen - wie sie es mit ihren Moderatoren ja tun", so der Verbands-Boss.

Dass sich vor allem Berufseinsteiger den Weg über das vermeintliche Endlosticket zu bahnen versuchen, will er gar nicht verteufeln. "Noch vor 20 Jahren waren Schauspieler, die Werbung oder Serien gemacht haben, bei ihren Künstler-Kollegen unten durch", berichtet er. Heute lässt sich Kino- und TV-Star Moritz Bleibtreu von Sky beim Entenfüttern im Park in Szene setzen.

"Sowohl bei Dailys wie bei Telenovelas ist man auf bestens ausgebildete Schauspieler angewiesen, schon allein wegen des gigantischen Pensums, das man dort Tag für Tag dreht", sagt Daniel Philippen von der ZAV-Bühnenvermittlung der Arbeitsagentur. "Das ist überhaupt nur mit hoher Professionalität auf beiden Seiten der Kamera zu bewältigen. Entsprechend casten die Firmen sehr gezielt, sehr kompetent und gewissenhaft." Vorteil für die Vermittler: "Wer dann da drin ist, ist für mindestens ein Jahr beschäftigt."

Genau in diesem Vorteil liegt auch ein Nachteil: Der Serientäter übt seinen Beruf meist täglich aus, kann also kaum woanders drehen und sich andersweitig empfehlen. "Und wenn das Engagement dann beendet ist, geht es wieder von vorne los mit dem Bewerben", so Philippen.

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Inga Helfrich, die viel Nachwuchsarbeit mit jungen Talenten betreibt, sieht den Berufsweg der Seriendarsteller weitaus kritischer. "Billig produzierte kommerzielle Serien haben eben auch zufolge", klagt sie, "dass sich das auf den Wert der Darsteller legt." Die jungen Schauspieler gelten dann als "verbrannt". Sie erklärt: "Das Gesicht wird mit einer bestimmten Ästhetik und einem bestimmten Niveau in Verbindung gebracht", so Helfrich - und das geschieht selten zum Vorteil der Betroffenen. Für Jungschauspieler hat sie einen Praxistipp: "Man kann auch in sehr kleinen Rollen auffallen" - und zwar genau dann, "wenn man nicht zeigen will, wie gut man in größeren wäre."

Kommt dazu, dass das Geschäft mit den Soaps ohnehin nicht mehr so lukrativ ist. "Schauspieler werden für 300 Euro am Tag angefragt", sagt Verbandsaktivist Monot. Nur wer damit einverstanden ist, kann überhaupt zum Casting kommen. Angesichts von 20 Drehtagen jährlich für durchschnittlich verdienende Schauspieler ist das kein gutes Geschäft. Für trainierte Hunde sind am Set Tagessätze von 350 Euro üblich, für einen Affen werden sogar 1500 Euro gezahlt, so Monot. "Tiere werden beim Drehen nicht nur besser behandelt, sondern besser bezahlt."

Das weiß auch Vermittler Philippen: "Es ist nicht zu leugnen: Die Anzahl der fiktionalen Produktionen hat sich in den letzten fünf Jahren halbiert, entsprechend gehen die Anfragen zurück, die Gagen sind im freien Fall." Da habe nur gute Karten, wer sich als 'geschmeidig' in seinen Gagenforderungen und professionell am Set erweise." Also nur Angepasste in der Endlosschleife? Gut möglich.

Das Problem, zugkräftige Gesichter zu verpflichten und gleichzeitig den Mut zu zeigen, es einmal mit den "Unüblichen Verdächtigen" zu probieren, hat Stefan Raiser von Dreamtool Entertainment übrigens recht radikal gelöst: Er verschickte kurzerhand eine Aufforderung an die Schauspieleragenturen: Deren Künstler sollten sich selbst bei einem Online-Casting bewerben - was zunächst auf große Irritation in der Branche stieß. "Viele Agenten sind sehr verschlafen", spottet Raiser. "Die sind reine Verwalter." Weil er für sein Projekt, das als RTL-Eventfilm geplant ist, ganz besondere Vorstellungen hatte, hebelte er die mächtigen Vermittler aus. Er fürchtete, dass ihm sonst nur "die Vorschlagsliste mit den üblichen 20 Darstellern" angeboten werden würde, so Raiser.

Unter den Schauspielern hat sich die News wie ein Lauffeuer verbreitet: "In der Branche redet man viel miteinander", sagt er. Raiser konnte so das "Nadelöhr Casting ganz weit aufbiegen" und sich einmal unverbrauchte Gesichter ansehen. Und er fand ein Gesicht: Seine kickboxende Supermama besetzte er mit Claudia Hiersche. Die Schauspielerin hat eine harte Schule durchlaufen: Sie war zuvor Darstellerin bei der ARD-Vorabendserie Verbotene Liebe. Gerettet aus der Endlosschleife.

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