Schweiz:Wie beim Nachbarn

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Die Schweiz ordnet ihre Rundfunkfinanzierung neu: In einer denkbar knappen Abstimmung setzen sich die Befürworter einer geräteabhängigen Gebühr durch.

Von charlotte theile

Eigentlich stehen die Abstimmungsresultate in der Schweiz schon mittags fest. Die meisten Schweizer schicken den Wahlschein mit der Post, die anderen stimmen am Vormittag ab. An diesem Sonntag dauerte es länger. Das neue Radio- und Fernsehgesetz entzweit das Land - und das, obwohl es eigentlich um eine Formalie ging: Die geräteabhängige Gebühr soll - ähnlich wie in Deutschland- durch eine allgemeine Haushaltsabgabe ersetzt werden. Der Grund: In Zeiten von Smartphone und Tablet hat fast jeder Haushalt mehrere Empfangsgeräte. Zudem soll die Gebühr sinken, von gut 450 auf 400 Franken im Jahr.

Eine eindeutige Sache? Ganz im Gegenteil. Keine Rechnung ohne Auftrag, keine neue Steuer, aus der es keine Ausstiegs-Option gibt - so lauteten die Argumente der Gegner. Unterstützt durch einprägsame Plakate: Eine Mausefalle, ein paar Scheine darin. Wenn sie einmal zuschnappt, gibt es kein Zurück. Die Gebühr könnte gar auf 1000 Franken im Jahr (etwa 950 Euro) steigen, so das Szenario der Gegner. Um 13.30 Uhr stand es noch genau 50:50. Meinungsforscher Claude Longchamp sagte im Schweizer Fernsehen: "Das habe ich noch nie erlebt." Im französischsprachigen Westen der Schweiz erreichte das Gesetz eine Mehrheit, im italienischsprachigen Tessin wurde es abgelehnt. Vom Schweizer Rundfunk profitieren insbesondere die sprachlichen Minderheiten. Am Ende setzten sich die Befürworter mit einem hauchdünnen Vorsprung von 3700 Stimmen durch.

Die Schweizer waren an diesem Sonntag noch bei weiteren Themen gefragt: Soll man befruchtete Embryonen genetisch untersuchen dürfen, bevor sie in die Gebärmutter eingepflanzt werden? Mediziner und der Schweizer Bundesrat waren dafür, viele Eltern behinderter Kinder und Vertreter der Kirchen dagegen. Doch die Präimplantationsdiagnostik, die inzwischen in vielen Ländern zur Anwendung kommt, findet auch in der Schweiz eine Mehrheit. 62 Prozent sprachen sich für die von vielen Ärzten und Wissenschaftlern geforderte Modernisierung der Fortpflanzungsmedizin aus. Anderes wurde klar abgelehnt. Eine Steuer von 20 Prozent auf Erbschaften und Schenkungen wird es künftig ebenso wenig geben wie ein nationales Stipendienprogramm. Die Steuer, ein Projekt der politischen Linken, überzeugte weniger als ein Drittel der Wähler, die Stipendieninitiative fand noch weniger Anhänger.

Für die im Herbst anstehenden Nationalratswahlen lassen die Ergebnisse wenig Rückschlüsse zu. Schließlich entscheiden die Schweizer dann über Parteien - und weniger über konkrete politische Fragen. Dennoch: Die starke Ablehnung, die linken Initiativen zuletzt begegnet ist, lässt für Grüne und Sozialdemokraten keine großen Erfolge erwarten.

© SZ vom 15.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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