Pressefreiheit:Wie die griechischen Faschisten Journalisten einschüchtern

Bei der Parlamentswahl in Griechenland erreichte die rechtsextreme Partei Chrysi Avgi fast sieben Prozent, jetzt bekommen Journalisten in Griechenland die Militanz der Neonazis zu spüren. Die EU zeigt sich besorgt, sieht ihren Handlungsspielraum jedoch begrenzt.

Kathrin Haimerl

"Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Attentat" - es ist ein Spruch, den man mit den linksextremen Terroristen der Roten-Armee-Fraktion verbindet. Die in Hamburg geborene Journalistin Xenia Kounalaki hat die Morddrohung allerdings von einer völlig anderen Seite erhalten: "Um es in der Muttersprache der fremden Xenia zu sagen: 'Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Attentat!'", schrieben die griechischen Faschisten von der Partei Chrysi Avgi auf ihrer Internetseite.

Kounalaki, die in Athen das Ressort "Internationales" der konservativen Tageszeitung Kathimerini leitet, hatte im Vorfeld der Wahlen in einem Beitrag für ein Verbot der Partei geworben. Die Antwort folgte prompt: In dem Beitrag auf der Internetseite der Partei - 2500 Wörter lang - breitete der anonyme Autor persönliche Informationen über die Journalistin aus. So erwähnte er völlig ohne Grund ihre 13-jährige Tochter, wie Kounalaki in einem Gastbeitrag für den Spiegel schilderte.

Inzwischen will sich die Journalistin nicht mehr äußern. Auf SZ-Anfrage teilt sie mit, dass sie zwar keine Angst vor den Faschisten habe. Sie bleibe bei ihrer Haltung: "Ich bestehe darauf, die Partei muss verboten werden. Es handelt sich um eine kriminelle Truppe." Allerdings wolle sie sich nicht zur Heldin hochstilisieren lassen.

Die Neonazis der Chrysi Avgi fuhren bei der Wahl am vergangenen Sonntag ein Rekordergebnis ein: Mit 6,97 Prozent schafften sie es über die Drei-Prozent-Hürde, mit 21 Sitzen werden sie künftig im Athener Parlament vertreten sein. Bei der Pressekonferenz am Tag nach der Wahl machte Nikos Michaloliakos, der Anführer der neonazistischen Partei, keinen Hehl aus seiner Haltung: "All jene, die unser Land verraten haben, sollen uns fürchten. Jetzt kommen wir!"

Glatzköpfige Ordner hatten die Journalisten im Raum zuvor angewiesen, sich zu Ehren des Parteivorsitzenden von ihren Plätzen zu erheben: "Alle aufstehen, alle aufstehen! Zeigt Respekt!", riefen sie. Wer sich weigerte, den ließ Michaloliakos aus dem Saal werfen.

EU-Kommission will "wachsam" sein

Der Erfolg der Neonazi-Partei und ihr brachialer Umgang mit Journalisten ist auch der Grund, warum Kounalakis Fall derzeit sehr viel Aufmerksamkeit erhält. Die Europäische Kommission zeigte sich besorgt: "Wir werden extrem wachsam sein", kündigte Kommissionspräsident José Manuel Barroso auf seiner täglichen Pressekonferenz an. Allerdings musste er dies gleich im nächsten Satz relativieren. Denn: "In erster Linie sind die Nationalstaaten dafür zuständig."

Wenig später dann räumte EU-Kommissarin Neelie Kroes ein, dass der EU nicht genügend Kompetenzen zur Verfügung stünden, um die Pressefreiheit in den Mitgliedstaaten zu verteidigen. Zwar zeigte sich die Politikerin angesichts der Todesdrohung gegen die griechische Journalistin "extrem besorgt". Zugleich aber ließ sie die Frage offen, ob mehr Kontrollen aus Brüssel tatsächlich mehr Freiheit bedeuten würde.

CDU-Europaparlamentarier Elmar Brok sagte auf einer Konferenz zur Zukunft der Europäischen Union, er fühle sich "in den letzten Tagen an Deutschland im Jahr 1930 erinnert". "Wir demokratischen Parteien müssen dafür sorgen, dass Krisen nicht zur Chance für die Feinde der Demokratie werden", sagte er weiter.

Die rechtsextreme Partei Chrysi Avgi - zu deutsch: Goldene Morgenröte - wurde in den achtziger Jahren nach dem Ende der Militärdiktatur in Griechenland gegründet - zunächst als Anhängsel eines gleichnamigen Magazins, das regelmäßig Verherrlichungen von Hitler und den Nazis abdruckte. Michaloliakos, der zu diesem Zeitpunkt bereits seit Jahren als rechtsextremer Aktivist tätig war, hatte sich im Gefängnis mit ehemaligen Führungspersonen der griechischen Militärjunta zusammengetan.

Die jetzige Partei Chrysi Avgi, die es seit den neunziger Jahren gibt, ist die Nachfolgeorganisation dieser Gruppierung. Viel ist von den anderen Führungspersonen der Partei nicht bekannt, denn die Neonazis geben keine Interviews, um nicht in den Verdacht der Systemnähe zu geraten.

Zerfall der großen Parteien

Als Partei stieß die Goldene Morgenröte denn auch bis vor kurzem kaum auf politisches Interesse. Das änderte sich erst mit den Athener Kommunalwahlen im Jahr 2010: Da erreichte die Partei mehr als drei Prozent, seither sitzen die Faschisten um Michaloliakos im Athener Stadtrat.

Bereits zuvor sorgte die Partei durch ihr gewaltbereites Auftreten für Aufmerksamkeit: Die Journalistin Kounalaki schildert in ihrem Gastbeitrag eindrücklich, wie eine Art Bürgermiliz in Migrantenquartieren von Athen für "Ordnung" sorgen würden. Die Gruppen gingen auf eine Initiative der Chrysi Avgi zurück.

Um ihre politischen Ansichten auf die Straße zu tragen, veranstaltet die Chrysi Avgi auch regelmäßig Aufmärsche, etwa zur Feier eines Nationalhelden. Große Auftritte aber haben die Neonazis auch an islamischen Feiertagen, um gegen Muslime zu hetzen und deren Gebete zu stören. Erst vor einem Jahr kam es im Athener Einwandererviertel Agios Pandeleimon zu regelrechten Hetzjagden auf Migranten, nachdem Chrysi Avgi anlässlich des Tods eines Griechen eine sogenannte Nachbarschaftsversammlung ins Leben gerufen hatte.

Den Erfolg von Chrysi Avgi bei der vergangenen Wahl führen politische Beobachter aber nicht etwa auf plötzlich erwachenden Nationalismus zurück. Vielmehr würden die Rechtsextremen ihren Aufstieg den Zerfall der bisherigen beiden großen Regierungsparteien, der sozialistischen Pasok und der Nea Dimokratia verdanken, schreibt ein Kommentator der Athener Morgenzeitung Kathimerini.

In einer ersten Version des Artikels stand, dass in Griechenland eine Fünf-Prozent-Hürde gilt, um es ins Parlament zu schaffen. Es handelt sich jedoch um eine Drei-Prozent-Hürde. Vielen Dank für den Hinweis von AmerigoRi.

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