Neues Rundfunk-Finanzierungssystem:Beitrag "zum Erhalt der Demokratie"

Warum soll jemand Gebühren zahlen, der gar kein Rundfunkgerät hat? Das neue Finanzierungssystem der Öffentlich-Rechtlichen, das 2013 in Kraft tritt, wird von vielen Seiten kritisiert. Albrecht Hesse, Justiziar des Bayerischen Rundfunks, erklärt, warum es dennoch Sinn macht.

Gastbeitrag.

Zum 1. Januar 2013 tritt ein neues Finanzierungssystem für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Kraft. Die Haushaltsabgabe wird künftig pauschal erhoben. Die Abkehr von der gerätebezogenen Erfassung steht auch in der Kritik. Warum soll einer bezahlen, der kein Rundfunkgerät besitzt? Was passiert mit möglichen Gebührenmehreinnahmen? Und warum sollen Wirtschaftsunternehmen stärker als bisher belastet werden? Albrecht Hesse, Justiziar des Bayerischen Rundfunks, erklärt, weshalb das neue Finanzierungssystem seiner Meinung nach einen gesamtgesellschaftlichen Vorteil darstellt.

Neues Rundfunk-Finanzierungssystem: 96 Prozent der Haushalte verfügen über ein Radio.

96 Prozent der Haushalte verfügen über ein Radio.

Das neue Finanzierungssystem hat den Vorteil, dass es keine Geräte-Kontrollen mehr gibt und damit keinen Streit mehr darüber, ob es sich im Einzelfall um ein Rundfunk-Empfangsgerät handelt.

Trotz dieser Verbesserungen bleiben kritische Fragen nicht aus. Warum muss auch derjenige zahlen, der erwiesenermaßen kein Gerät hat? Nach den vorliegenden statistischen Daten verfügen 97 Prozent der Haushalte über einen Fernseher, 96 Prozent über ein Radio und 77 Prozent über internetfähige PCs. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist dem Gesetzgeber die Typisierung gestattet, wenn sie in über 90 Prozent der Fälle zutrifft. Diese Voraussetzung ist also erfüllt.

Darüber hinaus sorgt der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinen Sendungen für Meinungsvielfalt und trägt so zum Erhalt der Demokratie bei. Davon profitieren auch diejenigen, die Leistungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht selbst nutzen, also etwa Teilnehmer, die nur über ein Radiogerät verfügen und dafür bisher die Grundgebühr in Höhe von 5,76 Euro entrichten, nach in Kraft treten der Reform aber den vollen monatlichen Rundfunkbeitrag von 17,98 Euro zahlen sollen.

Die Finanzierungspflicht ist unabhängig von der konkreten Nutzung. Kostenintensive Radiosendungen wie Hörspiele werden schon heute zum Teil mit Fernsehgebühren finanziert.

Kritik kommt auch aus der Wirtschaft, warum diese überhaupt beitragspflichtig sein soll. Dazu ist zu sagen: Die Wirtschaft profitiert von den gesamtgesellschaftlichen Vorteilen eines funktionierenden öffentlich-rechtlichen Rundfunks, insofern ist ihre Heranziehung grundsätzlich gerechtfertigt. Im Modell der geräteabhängigen Gebühr trägt sie ja bis heute wie alle anderen zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei.

Daneben werden Befürchtungen laut, die Belastung der Wirtschaft steige von 450 auf 800 Millionen Euro im Jahr. Diese Rechnung vernachlässigt verschiedene Gesichtspunkte: Im gewerblichen Bereich ist die Höhe des Beitrags nach der Zahl der Mitarbeiter im Betrieb gestaffelt. Diese Staffelung wurde im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens deutlich zu Gunsten der Wirtschaft geändert. Nachdem insbesondere die 1. Stufe der Staffel angehoben wurde (1 - 8 Mitarbeiter) fallen für schätzungsweise 77 Prozent der Betriebsstätten monatlich nur 5,99 Euro an. Da pro Betriebsstätte ein Kraftfahrzeug angerechnet wird, zahlen viele Betriebe sogar weniger.

Sollte es in anderen Fällen tatsächlich zu unverhältnismäßigen Belastungen kommen, bietet die geplante Gesetzesevaluation Gelegenheit zur Korrektur. Dies könnte Filialbetriebe mit vielen Standorten oder personalstarke Unternehmen betreffen. Auf jeden Fall kann sich niemand über eine Mehrbelastung beklagen, wenn diese daraus resultiert, dass er bisher seiner Gebührenpflicht nicht nachgekommen ist.

Unbegründet ist die Befürchtung, die Reform werde dem öffentlich-rechtlichen System zu Mehreinnahmen verhelfen. Das Modell ist mit den vorhandenen statistischen Daten nach bestem Wissen und Gewissen gerechnet. Sollte es zu Mehreinnahmen kommen, wird die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (Kef) bei der alle zwei Jahre anstehenden Überprüfung die Mehreinnahmen feststellen und bei der nächsten Festsetzungsrunde in Abzug bringen.

Albrecht Hesse, 55, ist promovierter Jurist und seit 1999 juristischer Direktor des BR und damit stellvertretender Intendant. In der ARD ist Hesse der führende Experte für Sportrechte, außerdem schrieb er das Studienbuch Rundfunkrecht

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