Neues Regional-TV:Praktikanten auf Sendung

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Mit dem neuen interaktiven Regionalkanal Nix wollte Helmut Thoma das Jugendfernsehen neu erfinden - doch der angeblich hippe Jugendkanal macht seinem Name alle Ehre. Das liegt auch an den Moderatoren, die durch kollektives Unvermögen glänzen.

Von Hans Hoff

Was waren das für Zeiten, als Helmut Thoma immer wieder für Furore in der Medienlandschaft sorgte. Der frühere RTL-Chef tat gern, was sich zu tun nicht schickte, und er behauptete dreist, was sich erst Jahrzehnte später als charmante Flunkerei entpuppte. Die Sache mit der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen, die er einfach mal so Pi mal Daumen erfand und die fortan trotz mangelnder wissenschaftlicher Untermauerung einen ganzen Wirtschaftsbereich bestimmte, gehört dazu. Heute behauptet Thoma immer noch, aber es dauert nicht mehr Jahrzehnte bis zur Entlarvung, sondern nur noch Tage.

Vor zweieinhalb Wochen erst behauptete Thoma, er werde nun auf der Frequenz des seit 2011 nur noch eingeschränkt sendeten Regionalkanals NRW.TV das Jugendfernsehen, um das ARD und ZDF so vergeblich ringen, neu erfinden. Nix solle es heißen und zeigen, wie man junge Menschen vor und hinter der Kamera bewegt. Soziale Netzwerke wolle er einbinden, die Grenzen zwischen First und Second Screen verschwimmen lassen und und und . . .

Prinzip Schulstunde

Dann startete Nix mit einer zweistündigen Sendung. Es folgte Sendung um Sendung und damit ziemlich schnell die Erkenntnis, dass Thomas Ankündigungen nichts als heiße Luft waren. Was er da als neu verkauft, ist fast exakt das Gleiche, das NRW.TV schon vorher auf Sendung geschickt hatte und gelegentlich am Vorabend auch noch anbietet. Allerdings wurden die Hipster, die vorher nach dem Muster des einstigen Vorzeigekanals Giga in einer Wellblechgarage im Düsseldorfer Medienhafen ein bisschen was von ihren Computerbildschirmen ablasen, bei Nix durch Praktikanten ersetzt.

Man muss sich das Programm von Nix im Prinzip vorstellen wie eine Schulstunde, nur dass die Schüler auf der Couch sitzen und die Kamera die Position des Lehrers einnimmt. Dem Lehrer erzählen die ein wenig verklemmt wirkenden Schüler, was sie auf ihren schicken Bildschirmen gesehen haben. Dann betteln sie, dass irgendwer doch bitte diesen Quatsch kommentieren möge, und wenn das drei Leute tun, dann werden deren Kommentare auch rasch vorgelesen.

Zwischendrin erinnern sich die Akteure noch daran, dass sie lustig sein sollen, von wegen Jugendsender und so. Dann tun sie, was sie früher in der Schulpause gemacht haben. Sie versuchen, sich gegenseitig hops zu nehmen. Leider funktioniert das Experiment "Schüler lesen das Internet vor" nie. Nicht einmal. Nie.

Kollektives Unvermögen

Das liegt natürlich vor allem an den Gestalten, die Nix da vor die Kamera lässt. Die behaupten zwar, dass bei ihnen "alles schön, witzig und interessant ist", bleiben aber den Beweis dafür schuldig. Stattdessen glänzen sie mit einem kollektiven Unvermögen, das, wenn es denn mit voller Absicht so offen präsentiert würde, großer Kunst gleichkäme. Die Moderatoren wurden, so behauptet zumindest Thoma, aus dem Studentenbestand der privaten NRW-Medienhochschulen rekrutiert, was ein ziemlich trübes Licht auf deren Aufnahmekriterien wirft.

Wie wenig auch das mit den sozialen Netzwerken funktioniert, zeigt die Facebook-Bilanz. Hatte Nix zu Beginn der Sendung am vergangenen Montag 1088 Likes, so waren es zwei Stunden später vier mehr, am Morgen danach waren noch einmal drei dazu gekommen. Am Ende der Sendewoche am Freitag standen schließlich 1123 Gefällt-mir-Angaben auf der Rechnung, 35 mehr als am Montag. Wow, wenn das die Zukunftsvision eines hippen Jugendkanals sein soll, dann wird sie bei diesem Tempo ziemlich alt aussehen, bevor sie nennenswerte Zuschauerzahlen für sich verbuchen kann. Ach, Helmut Thoma.

© SZ vom 30.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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