Jürgen Vogel in Arte-Thriller:Mystery im Erzgebirge

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Bombastische Musik, gelbe Augen und kalkweiße Gesichter: Der Arte-Film "Die Stunde des Wolfes" will ein deutscher Mystery-Thriller sein und greift dafür tief in die Genre-Kiste. Leider funktioniert das aber vorn und hinten nicht, und so hofft man 89 Minuten lang, dass das Unglück im Erzgebirge ein Ende haben möge.

Cathrin Kahlweit

Um gleich mit der Tür in die alte Glashütte zu fallen: Damit man diesen erzgebirgigen Schmarrn durchsteht, braucht man eine dicke Haut, eine lange Leitung und ein schlechtes Gehör. "Die Stunde des Wolfes" will nämlich ein deutscher Mysterythriller sein, was Regisseur Matthias Glasner mit viel bombastischer Musik, gelben Augen in kalkweißen Menschengesichtern und wabernden Nebeln zu beweisen sucht. Nur: Das funktioniert vorn und hinten nicht, und so barmt der fassungslose Zuschauer 89 Minuten lang, dass das Unglück, das rund um eine aufgelassene Glasfabrik nahe der tschechischen Grenze spielt, ein Ende haben möge.

Ein krudes Detail des Plots: Jürgen Vogel spielt Henry, der sich auf der Reise in die Vergangenheit befindet, auf ominöse Weise aber wieder verschwindet. (Foto: dapd)

Dieses moderne Schauermärchen möchte gruselig sein und ist doch nur albern. Da laufen Wölfe durchs Bild, die schon mal unaufgefordert eine unsympathische Nebendarstellerin aus dem Weg räumen, Verzeihung: zerren. Da sitzen tumbe oder hartherzige Menschen voller böser Gedanken in Häusern, die von den Ausstattern so düster-museal hergerichtet sind, als sei die Zeit in den sechziger Jahren stehengeblieben.

Das erstarrte Glas in der Fabrik, in der seit langem nichts mehr produziert wird, schmilzt im Moment der Katharsis, als schickte der liebe Gott, womöglich aber auch der Teufel einen quarzbewehrten Racheengel durch die dunklen Hallen. Und während es in der Fabrik gar garstig zugeht, sieht draußen vor der Tür der kleine Ort, in dem die Geschichte bedeutungsschwer ihren Lauf nimmt, so verlassen aus, als sei kurz vorher Dracula durch die Straßen gelaufen und habe das Blut aus den Anwohnern und die Farbe aus den Kameras gesogen.

Der Plot ist so krude wie die Inszenierung: Eine junge Frau (Silke Bodenbender) flieht aus der Psychiatrie, weil sie den Tod ihres Schwiegervaters aufklären will; ohne diese Aufklärung, glaubt sie, komme der gepeinigte Ehemann, ihr geliebter Henry (Jürgen Vogel) nicht zur Ruhe. Der stößt auf der Reise in die Vergangenheit zu ihr, verschwindet dann aber auf ominöse Weise wieder, sodass sich die stramme Blondine allein auf den Weg ins Feindesland machen muss. Barfuß, weil sie die Schuhe im Zug vergessen hat, stolpert sie über Berg und Tal, steigt auf der Suche nach der Wahrheit im immergleichen Kleid und auf nackten Sohlen in Stollen hinab und auf Felsen hinauf, und landet schließlich bei der bösen Schwiegermutter, die, wie sollte es anders sein, einen Gutteil Schuld trägt in diesem mysteriösen Fall.

Ach ja, während da so gestolpert und geklettert wird, taucht natürlich immer wieder, was ein Zufall, ein gut aussehender Förster auf (Ronald Zehrfeld), der die junge Unschuld rettet - und ihr netterweise ein Paar Schuhe kauft.

Zum Schluss ist man so erleichtert darüber, dass die gepeinigte Protagonistin sich auch mal frische Kleidung anziehen darf, dass man fast zu übersehen bereit ist, wie der verschwundene Ehemann mal hier, mal da wieder auftaucht und doch nicht da ist; wie der Förster im Schrank und im Wald und auf dem nackten Fußboden seine Zuneigung für die Blondine auslebt und wie diese den Schlüssel zu jenem Ort, der Henrys Familiengeheimnis birgt, schließlich in das richtige Loch steckt.

Das ist verwirrend? Das bleibt auch so, nachdem der Abspann gelaufen ist. Immerhin weiß man zu diesem Zeitpunkt, dass das Erzgebirge ein romantischer, aber eben doch hinterwäldlerischer Ort ist, und dass man nicht lieben kann, wenn nicht alle Altlasten beseitigt sind. Sie haben Lust auf einen Thriller? Lesen Sie ein gutes Buch.

Die Stunde des Wolfes Arte, 20.15 Uhr.

© SZ vom 09.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Preußenkönig und Vergewaltiger, Impro-Komödiant und Melancholiker - Jürgen Vogel mag die Gegensätze in seinen Rollen. Der Autodidakt brachte sich das Schauspielern selbst bei. Jetzt ist er als Hitler-Imitator in "Hotel Lux" wieder im Kino zu sehen. Ein Porträt.

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