Journalismus:Cousin X

Ein Betrugsfall erschüttert Glenn Greenwalds Webmagazin "The Intercept": Ausgerechnet bei dem mit großen Vorsätzen angetretenen Projekt des Snowden-Vertrauten wurden offenbar Interviews gefälscht.

Von Karoline Meta Beisel

Das US-Portal The Intercept ist für Enthüllungen bekannt, nur war es diesmal eine Enthüllung in eigener Sache. "The Intercept ist vor Kurzem auf ein Muster von Täuschungen durch einen unserer Mitarbeiter aufmerksam geworden", schrieb Betsy Reed, die Chefredakteurin, am Dienstag in einem Blogeintrag. Der Mitarbeiter habe sich mehrfach Zitate für seine Artikel ausgedacht oder Quellen mit gefälschten E-Mail-Accounts kontaktiert, und vorgegeben, er sei ein anderer. Vier Artikel seien korrigiert worden, einer wurde ganz zurückgezogen, ist aber auf der Homepage mit einem entsprechenden Hinweis versehen weiter abrufbar. Der Intercept-Mitarbeiter hatte darin über ein Telefonat mit einem Cousin des Charleston-Attentäters Dylann Roof berichtet - inzwischen ist sich die Redaktion noch nicht mal mehr sicher, ob es diesen Cousin überhaupt gibt. Für The Intercept ist die Sache unangenehm. Das Webmagazin war 2014 von den Snowden-Vertrauten Glenn Greenwald und Laura Poitras und dem Starreporter Jeremy Scahill gegründet worden, um "aggressivem und unabhängigem kontroversen Journalismus" einen Raum zu geben, wie es in der Selbstbeschreibung heißt. Finanziert vom Ebay-Gründer Pierre Omidyar sollten die Reporter von The Intercept große Freiheiten bei ihren Recherchen haben. Nun sieht es so aus, als habe jedenfalls ein Mitarbeiter dieses Angebot zu wörtlich genommen.

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