"Jenseits des Protokolls" im Riva-Verlag:Bettina Wulff zwischen Pornfighter und Schachgenie

Mit ihrem Buch reiht sich Bettina Wulff bei ihrem Verlag neben Bushido und Loriot ein. Aber Riva publiziert auch die Bekenntnisse eines früheren Bordellbetreibers. Alles leicht verderbliche Ware zwar, aber mit Bestseller-Qualitäten. Und schnell auf dem Markt.

Christian Mayer

Den Münchner Riva-Verlag muss man sich als sehr bunten Supermarkt mit einer überdimensionierten Frischetheke vorstellen. Das Angebot verblüfft durch seine schillernde Vielfalt, teilweise durch schrille Exzentrik, und wer sich unter einem Buchverlag noch immer etwas Grundsolides und Seriöses vorstellt, liegt knapp daneben. Bei Riva muss alles immer ganz besonders schnell auf den Markt, denn die Lebensbeichten von Prominenten sind eine rasch verderbliche Ware.

Vor allem dann, wenn die Geschichte, in diesem Fall die Lebensgeschichte von Bettina Wulff, so brisant ist, dass sämtliche Medien der Republik darauf anspringen. Auf solche Situationen muss ein Supermarkt wie Riva prompt reagieren, und das bedeutet: Erscheinungstermin beschleunigen, PR-Maschine anwerfen, Exklusivität beanspruchen und bei Bedarf möglichst schnell nachdrucken.

Als der ehemalige Börsenmakler Christian Jund 1996 ins Buchgeschäft wechselte, wollte er zunächst nur mit Wirtschaftsbüchern handeln, die es in Deutschland in dieser Form noch nicht gab. Es war der Höhepunkt der New Economy; Erfolgsratgeber aller Art waren populär. Das erste Buch, das der 44-jährige Jund im Finanzbuch-Verlag herausbrachte, trägt den Titel "Was Gewinner von Verlierern unterscheidet". 2004 gründete der Verleger den Riva-Verlag als Imprint, also als hauseigene Marke für ganz bestimmte Titel - dazu zählen Promi-Bekenntnisse, aber auch kuriose Wissenskompendien und Fitness-Bücher.

Besonders erfolgreich war Riva mit einem Oliver-Kahn-Titel ("Ich - Erfolg kommt von innen"), der sich mehr als 100.000 Mal verkaufte. Auch die Biografie des Musikers Bushido hielt sich wochenlang in den Bestsellerlisten, und der Rapper hatte einen denkwürdigen Auftritt auf der Frankfurter Buchmesse. Zuletzt fand der Verlag mit einem gut recherchierten Buch über den früheren Schalke-Manager Rudi Assauer große Beachtung, der im Gespräch mit dem Autor erstmals seine Alzheimer-Erkrankung öffentlich machte. Am besten gehen derzeit zwei Bücher zur Fernsehserie "How I Met Your Mother" - Buddy-Humor aus den USA. Knapp eine Million Stück davon hat Riva bisher verkauft.

Im Supermarkt gibt es auch eine Ecke für echten Trash: Wenn der deutsche "Pornfighter Long John" bei Riva ausschweifend berichten darf, wie er mit 4888 Frauen geschlafen hat ("23,5 cm harte Arbeit"), dann ist das kein Ausrutscher, sondern Teil des Geschäftsprinzips. Ungefähr auf gleichem Niveau bewegt sich das Buch "Bel Ami", in dem der frühere Bordellbetreiber und derzeitige Knastbewohner Detlef Uhlmann sein angeblich aufregendes Leben erzählt.

Bei Riva kommt zum Zug, wer das Zeug zum Bestseller hat. Manchmal ist das sogar ein großer Künstler wie Loriot, dessen Biografie ebenfalls im Verlag erschienen ist - genauso wie die Lebensgeschichten des Schachgenies Bobby Fischer und des Starkochs Jamie Oliver, dessen Buch für November angekündigt ist. "Wir suchen nach guten Geschichten und glaubwürdigen Autoren", sagt Verleger Jund. Sein verlegerischer Geschäftsführer Oliver Kuhn, Autor des fachmännischen Ratgebers "Der perfekte Verführer", ergänzt: "Wir müssen uns nicht schämen für unsere Bücher, außerdem haben andere Verlage ähnliche Titel im Angebot."

Ob Bettina Wulff eine gute Wahl getroffen hat, als sie den Riva-Verlag für ihre Erinnerungen an das Bundespräsidialamt suchte? Es hätte mit Sicherheit seriösere Alternativen gegeben; ein solches Buch hätten viele gerne im Programm gehabt - doch kaum ein anderer Verlag hätte den Titel "Jenseits des Protokolls" wohl so fix auf den Markt gebracht. Darin sind sie wirklich Spitze, bei Riva.

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