Hörspiel:Heimatbesuch

Für "Neues Leben" hat Steffen Thiemann Tschechows "Drei Schwestern" in die ostdeutsche Provinz verpflanzt. Dort waren sie jung, hier sind sie alt. Und Wunden, die dort gerissen wurden, sind hier noch nicht verheilt.

Von Stefan Fischer

Sie haben es dann doch heraus geschafft aus dem Haus ihrer Eltern in der Provinz, die beiden Schwestern Olga und Irina. Nur Mascha ist ihr Leben lang dort geblieben. Immerhin zwei also haben etwas von der Welt gesehen, das ist eine Überraschung, denn wer Anton Tschechows Drei Schwestern jemals auf einer Theaterbühne gesehen hat, musste daran ernsthaft zweifeln. Da wollen die drei jungen Damen zurück nach Moskau, nichts hält sie mehr auf dem Land. Aber die Züge scheinen bereits allesamt abgefahren zu sein.

Steffen Thiemann schickt in seinem Hörspiel Neues Leben nun Olga und Irina nach Hause auf den verfallenen Bauernhof der Eltern in der ostdeutschen Provinz, in dem Mascha lebt; alleine, ihr Mann hat sie verlassen. Es sind andere Frauen als bei Tschechow, denn die sind ein paar tausend Kilometer weiter im Osten aufgewachsen, und sie müssten heute längst tot sein. Aber wer Drei Schwestern kennt, der vermischt diese Biografien natürlich, die der jungen Frauen bei Tschechow und die der alten Frauen bei Thiemann.

Wunden, die bei Tschechow gerissen wurden, sind bei Thiemann noch nicht verheilt. Missgunst, Zanklust und Hochmut haben sich im Alter eher noch verstärkt - und sind längst weitervererbt an Kinder und Enkel. Nun streiten die Schwestern darüber, wer von ihnen das richtige Leben führt. Alle reklamieren sie wider besseres Wissen für den eigenen Entwurf. Und suchen dabei - vergeblich - nach einer Perspektive für die restlichen Jahre. Ganz wie in ihrer Jugend.

Neues Leben , NDR Kultur, 20 Uhr.

© SZ vom 31.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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