Helene Fischer:Durchatmen

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Die perfekte Illusion von Makellosigkeit als Kontrastprogramm zur Familie: Warum Fernseh-Shows an Feiertagen immer noch so erfolgreich sind.

Von David Denk

Die Bauchmuskeln von Helene Fischer können einem Angst machen. Oder ist das Gefühl eher Neid? Irgendwas dazwischen wahrscheinlich. Jedenfalls sieht die Sängerin so aus, als würde sie auch zu Weihnachten nur Reiswaffeln knabbern. Ohne Schokolade selbstredend. Atemlos mag ihr Leben mitunter sein, außer Atem ist sie - wenn überhaupt - nur kurz, nach einer Stunde auf dem Spinning-Rad womöglich.

Die diesjährige Helene Fischer Show, in der sie am ersten Weihnachtstag Gäste wie James Blunt, die Kelly Family oder Matthias Schweighöfer begrüßte, war wieder eine einzige Leistungsschau dieses oft kopierten, nie erreichten Produkts der deutschen Unterhaltungsindustrie: singen, tanzen, einarmig Liegestütze machen, umziehen, viel Haut zeigen, bisschen moderieren - die Frau macht alles, kann vieles und zieht wohl daher neben Ruhm auch zunehmend Spott auf Twitter an.

Zwischen den Jahren ticken die Uhren ein bisschen anders, gemächlicher. Die Menschen widmen sich ihren Lieben oder dem Fernsehprogramm - ob als Zeitvertreib mit der oder als Kontrastprogramm zur Familie. Davon profitieren Fischer sowie die Kollegen Francine Jordi, Jörg Pilawa, Andrea Kiewel und Johannes B. Kerner, die am Silvesterabend live bei ARD und ZDF den Jahreswechsel begehen werden. All diese Shows sind keine Lagerfeuer mehr wie einst Wetten, dass ..?, aber in ihnen wirkt die generationenverbindende Kraft nach, die das Fernsehen mal hatte und die die Sender in ihren Feiertagsprogrammen allzu gern beschwören.

Fischer, 1984 im sibirischen Krasnojarsk geboren, 1988 nach Rheinhessen ausgesiedelt, fleißig, diszipliniert und strebsam, ist ein Glücksgriff für das ZDF - das die Künstlerin 2013 vom MDR übernommen hat und seitdem Quotenerfolge feiert: Dieses Jahr verfolgten die Sendung im Schnitt 5,90 Millionen Zuschauer, was einem Marktanteil von 19,3 Prozent entspricht. Keine Sendung sahen am Weihnachtstag mehr Menschen.

Und wer sich grämt, dass die festliche Inszenierung zu Hause nie so reibungslos und störungsfrei klappt, dem sei gesagt: Selbst eine Helene Fischer braucht zwei Aufzeichnungstage für ihre showgewordene Illusion von Makellosigkeit.

© SZ vom 28.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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