Finale von "Promi Big Brother" bei Sat.1:Beim Zusehen stürzen sich Gehirnzellen freiwillig in den Tod

Lesezeit: 3 min

Hier lernt der Mensch, was Enttäuschung ist: Ben Tewaag beim FInale von "Promi Big Brother 2016" (Foto: Getty Images)

Ben Tewaag gewinnt "Promi Big Brother" 2016. Den Stempel "missratener Sohn von Uschi Glas" ist er damit los. Für alle anderen ist das Finale ein Lehrstück in Sachen Enttäuschung.

Von Johanna Bruckner

Manchmal ist der Höhepunkt einer Sendung ein Flachwitz. Was wächst in der Erde und stinkt? Eine Furzel. Eine passendere Parabel für die vierte Staffel Promi Big Brother könnte es kaum geben. Dort musste nicht nur ein Teil der Nachtschattenprominenz in der Kanalisation hausen, der Gesamteindruck nach 15 Tagen ist: glitschig, muffig, zappenduster. Weniger lebensfeindlich als der TV-Container kann eine Fernsehumgebung kaum sein - beim Zusehen stürzen sich minütlich Gehirnzellen in den Tod, nur um dieser Qual zu entkommen. Man kann es natürlich auch weniger defätistisch formulieren: Bei Promi Big Brother lernt der Mensch, was Enttäuschung ist.

Ben Tewaag zum Beispiel, ist ins Haus gezogen, um den Stempel "missratener Sohn von Uschi Glas" mit Brackwasser aus erwähntem Kanal abzuwaschen. Buße für vergangene Sünden. Die einen trinken Detox-Tee, um sich innerlich zu reinigen, die anderen fressen Dreck, um das äußerliche Bild zu gesunden. Aber dann das - Ben droht, von Mitbewohnerin Cathy Lugner sabotiert zu werden!

"Uns geht der Kackstift, auf gut Deutsch gesagt", beschreibt die fünfte Ehefrau des Wiener Baulöwen "Mörtel" Lugner ihre Gefühlslage im Finale. Solche Gossensprache kann Ben bei seinem öffentlichen Aufstieg natürlich nicht gebrauchen: "Uns geht der Kackstift - wo sind wir denn?"

Promis
:Ben Tewaag geht in den TV-Knast

Der Sohn von Uschi Glas lässt sich freiwillig einsperren, die Ex von Johnny Depp will ihre Abfindung spenden und ein Geburtstagskind tanzt auf dem Tisch - die Promis der Woche.

Zwei Ebenen, aber kein doppelter Boden

Ja, wo sind wir? Waren wir in Sachen Trash-TV nicht schon viel weiter? Hatten sich nicht die Feuilletons der Republik widerwillig darauf verständigt, dass das Dschungelcamp ein ironischer Kommentar auf den Zeitgeist und vielleicht doch okay-lustig ist? Hatte nicht vor einigen Wochen Das Sommerhaus der Stars (ebenfalls RTL) gezeigt, dass eine Promi-WG wunderbare Auswüchse des Wahnsinns hervorbringen kann? Da wurde aus einem unbedachten Kommentar über die stinkende Jeansjacke von Boxer René Weller ein menschliches Drama griechischer Intensität.

Und jetzt das: Promi Big Brother 2016, zwei Ebenen, aber kein doppelter Boden. Auf der Webseite zur Sendung sind am Finalabend die Top Five der beliebtesten Videos:

1. Bonus: Jessis Hände wandern nach unten ...

2. Tag 13: Jessi verliert jegliche Hemmungen!

3. Bonus: Jessi wird entblößt

4. Frank flirtet was das Zeug hält

5. Bonus: Fräulein Lugners heiße Duscheinlage

Und das, wo Sat.1 als Rückzugsort für alle Schmuddelfantasten extra die Rubrik "Duschclips" eingerichtet hatte!

"Jessi" heißt im Übrigen mit vollem Namen Jessica Paszka, war mal Kandidatin beim Bachelor (immer wieder RTL), und hielt in den vergangenen zwei Wochen diverse teuer optimierte Körperteile in Kameras und männliche Gesichter. Besonders viel zu sehen bekam Ringer Frank Stäbler, im realen Leben verlobt. Das fiel ihm dann auch wieder ein, kaum dass er am Donnerstag aus dem Haus gewählt war. "Bei uns alles gut. Die Traumhochzeit wird stattfinden!"

Enttäuschungen - und kein Ende. Jessi muss im Finale als Erste gehen, dicht gefolgt von Natascha Ochsenknecht. Die wird im Studio emotional von Tochter Cheyenne begrüßt (für eine kleine Namenskunde der Promi-Kinder klicken Sie hier). Erster Satz der Tochter: "Mama, ich hab' mich tätowieren lassen." Zweiter: "Du stinkst."

Mario Basler, Nihilist mit Nikotinglaube

Damit die Sendung nicht ganz abdriftet ins Hoffnungslose streut Big Brother hier und da esoterische Allgemeinplätze ein. "Die Essenz eines Menschen zeigt sich manchmal erst, wenn er sich von Resten ernährt und Altkleider trägt." Oder auch: "Ein helles Licht strahlt am schönsten, wenn es ringsum dunkel ist." Das ist natürlich nicht die ganze Wahrheit - schließlich kann man auch als Fürst der intellektuellen Finsternis strahlen, siehe Ex-Fußballer Mario Basler.

Der Nihilist mit Nikotinglaube zieht Moderator Jochen Schropp beim Frage-Antwort-Pingpong gnadenlos ab. Schropp: "Warum sollen die Zuschauer weiter für dich anrufen?" Basler: "Das weiß doch isch net." Schropp: "Was machst du mit dem Geld?" (Zu gewinnen gibt es 100 000 Euro, Anm. d. Red.) Basler: "Ich bin froh, wenn ich 'ne Dusche hab, meine Klamotten bekomm' und 'nen Wodka Lemon." Basler belegt dann nur den dritten Platz, wie gesagt: Enttäuschungen.

Am Ende siegt Ben Tewaag vor Cathy Lugner. Warum? Weil sich der Mensch bei all den Enttäuschungen nach Heldengeschichten sehnt.Geschichten von Männern, die sich irgendwann mal "Böse ist gut" auf den Arm tätowiert haben, aber die eigene Dunkelheit überwinden und ins Licht gehen. "Ja, toll!", sagt Tewaag im Moment des Triumphs, "soll ich jetzt aufräumen?"

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Reality-Show
:"Promi Big Brother" - Wohnprojekt für verrückte Tanten und notgeile Onkels

Ben Teewag saß schon im Knast, Prinz Marcus von Anhalt auch. Sie und die anderen zehn Teilnehmer von "Promi Big Brother" wollen gern berühmt werden. Die erste Folge - großküchenpsychologisch analysiert.

TV-Kritik von Johanna Bruckner
Jetzt entdecken

Gutscheine: