DAB:Schub fürs Digitalradio

Lesezeit: 4 min

Private Sender sichern sich 16 neue nationale Frequenzen. Sie versprechen sich davon deutlich mehr Hörer und höhere Werbeeinnahmen.

Von Stefan Fischer

Bundesmux mag auch ein lustiges Wort sein, auf jeden Fall ist es eines, das erklärungsbedürftig ist. Eine Abkürzung eben. Mux ist die gängige Kurzform für Multiplex. Im digitalen Hörfunk ist das ein Frequenzblock, über den jeweils 16 Digital-Programme via Antenne ausgestrahlt werden können.

Im Oktober geht der sogenannte Bundesmux 2 an den Start, mit 16 privaten Radiosendern, die dann allesamt deutschlandweit über DAB+ zu empfangen sein werden. Einige kennt man bereits. So weiten Antenne Bayern und die ebenfalls zu Deutschlands schon jetzt meistgehörtem Privatradio gehörende Rock Antenne ihr Sendegebiet auf die ganze Republik aus. Andere Angebote entstehen neu.

Das Unternehmen Antenne Deutschland, das gemeinsam von Media Broadcast und Absolut Radio extra für diesen Zweck gegründet wurde und nicht mit Antenne Bayern zusammenhängt, hat den Zuschlag für den Mux bekommen und wird über ihn sechs eigene Programme ausstrahlen mit Musik für verschiedene Geschmäcker. Dafür baut Antenne Deutschland in München gerade ein Team auf "aus etablierten Radiomachern und neuen Gesichtern", sagt Joe Pawlas, der seit Anfang Juli der Vorsitzende der Geschäftsführung von Antenne Deutschland ist. Bereits jetzt streamt Absolut Radio fünf Webradios, von denen bislang lediglich zwei auch über - teils nur regionale - DAB-plus-Frequenzen verfügen.

Antenne Deutschland will Audio-Inhalte für alle Ausspielwege anbieten

Pawlas hat allerdings mehr im Sinn als bloß Digitalradio: "Der Audiomarkt explodiert gerade." Im Kern geht es Antenne Deutschland darum, attraktive Audio-Inhalte anzubieten für alle Ausspielwege. Bei Webstreams und Podcasts gebe es eine ähnlich dynamische Entwicklung wie beim Digitalradio - "ein riesiges Thema", so der Marketingexperte Pawlas. "Wir sehen uns deshalb auch nicht in Konkurrenz zu anderen, sondern wollen gemeinsam den Markt größer machen." Über erwartete Marktanteile, Reichweiten und Umsätze möchte Pawlas, der zuletzt für das deutsche Marketing der Warner Bros. Entertainment Group verantwortlich war, öffentlich allerdings nicht sprechen.

Der Ansatz von Antenne Deutschland ist relativ neu, am nächsten kommen ihm noch die öffentlich-rechtlichen Sender mit ihrer Flotte aus linearen Wellen, Streams, Onlinepräsenz und Audiotheken. Im Verlauf der nächsten ein bis zwei Jahre will Antenne Deutschland ein "attraktives Onlineangebot" aufbauen, um darüber neben Digital- auch Webradios und Podcasts zu vermarkten. DAB+ und der Bundesmux sind in dieser Strategie ein wesentlicher Baustein, weil Radio viele Hörer bringt. Jeder vierte Haushalt verfügt inzwischen über mindestens ein DAB-Gerät, Tendenz deutlich steigend. Und ausschließlich im Digitalen ist fürs Radio Wachstum möglich, denn die analogen UKW-Frequenzen sind allesamt belegt. Es passiert kaum einmal, dass eine frei wird - und wenn, handelt es sich in der Regel allenfalls um eine kleine lokale Frequenz.

Im Digitalen ausschließlich auf Streams zu setzen, ist allerdings aus mehreren Gründen problematisch: Die Verbreitungskosten sind für die Sender im Web um ein Vielfaches höher als bei DAB+. Die Hörer wiederum müssen zwingend über einen leistungsfähigen Internetanschluss verfügen. Und es gibt keine Gewähr, dass die Netzneutralität erhalten bleibt, also kein Stream technisch bevorzugt oder benachteiligt wird.

Mit dem Start des zweiten Bundesmux mit seinen ausschließlich kommerziellen Programmverbreitern ist nun auch der Moment gekommen, in dem DAB+ endgültig die Phantasien der Werbebranche beflügelt: Antenne Deutschland hat sich dafür den Vermarkter Ströer ins Boot geholt, der in Deutschland rund 300 000 Außenwerbeflächen, etwa an Bushaltestellen, vermarktet und die deutsche Lizenzausgabe des Nachrichtenportals Watson betreibt. In der Audiovermarktung ist Ströer bislang nicht aktiv. Nun aber haben Ströer und Antenne Deutschland gemeinsam einen eigenen nationalen Audio-Werbevermarkter gegründet, ad.audio, mit Sitz in Hamburg.

"In Zukunft werden die meisten Werbekampagnen über reine Audiobuchungen hinausgehen", nennt Joe Pawlas als Grund, warum er nicht auf klassische Radiovermarkter wie ARD-Werbung Sales & Services oder Radio Marketing Service setzt, sondern auf einen eigenen Partner - der crossmediale Pakete anbieten, also beispielsweise einen Mix aus Radio-, Online- und Außenwerbung koordinieren kann. Oder eben auch alle Audiosparten berücksichtigt, nicht nur die linearen Programme.

Mehr als neun Millionen Haushalte in Deutschland verfügen über ein Digitalradio-Gerät

Eigentlich hätte der zweite Bundesmux bereits vor drei Jahren starten sollen. Antenne Deutschland hatte den Zuschlag seinerzeit erteilt bekommen von der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien, die von der Kommission für Zulassung und Aufsicht der Medienanstalten ZAK mit der Ausschreibung betraut worden war. Ein unterlegener Bewerber hatte dagegen geklagt. Der juristische Streit ist jüngst endgültig zugunsten von Antenne Deutschland beigelegt worden.

"Nun wollen wir so schnell wie möglich auf Sendung gehen", sagt Joe Pawlas. Das muss er auch: Passiert bis Ende des Jahres nichts, verfallen die Lizenzen. Antenne Deutschland ist jedoch auf einem guten Weg; zuletzt hat das Unternehmen Verträge mit Drittanbietern geschlossen, die jene zehn Frequenzen des zweiten Bundesmux nutzen werden, die Antenne Deutschland nicht selbst in Anspruch nimmt.

Neben Antenne Bayern und Rock Antenne bekommt Toggo Radio eine Frequenz. Super RTL verschafft damit dem bislang nur gestreamten Hörfunkableger seines Kinderprogramms eine große zusätzliche Plattform. Hinzu kommen außerdem ein Spartenprogramm für Hand- und Heimwerker (Profi Radio), ein Comedy-Kanal (Joke FM) und weitere Hit-Radios etwa von Radio RTL und Energy.

Den ersten nationalen Bundesmux gibt es bereits seit annähernd zehn Jahren. Über den strahlt das öffentlich-rechtliche Deutschlandradio seine drei Programme aus, auch Klassik Radio, Energy und Radio Schlagerparadies sind dort vertreten. Hinzu kommen etliche regionale Multiplexe, über die die Wellen der ARD-Landesrundfunkanstalten in ihren jeweilige Sendegebieten zu hören sind sowie in Summe beinahe 200 Privatradios - unter all diesen Programmen sind mehr als 60 Sender, die ausschließlich über DAB+ verbreitet werden, etwa das öffentlich-rechtliche BR Heimat oder die private Oldie Welle Niederbayern.

Weit mehr als neun Millionen Haushalte in Deutschland verfügen inzwischen über ein Digitalradio-Gerät, allein im vergangenen Jahr sind 1,5 Millionen dieser Geräte verkauft worden. Ende des Jahres tritt eine sogenannte Digitalradiopflicht in Kraft. Alle Autoradios, die in neue Pkw eingebaut werden, müssen dann in der Lage sein, digital terrestrisch ausgestrahlte Hörfunkprogramme zu empfangen. Und die Autohersteller dürfen anders als bisher für die Freischaltung dieser Funktion kein Geld mehr verlangen. "Das sind noch einmal 3,6 Millionen Neugeräte pro Jahr", kalkuliert Joe Pawlas. Gute Nachrichten für ihn.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: