Verspottete Trendsetter:Heimliche Hipsterliebe

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Wer wäre nicht gerne mal ein Hipster? Diese Mädchen bei der Hipster-Olympiade 2012 in Berlin üben schon mal. (Foto: Getty Images)

So beißend der Spott, so gezielt die Spitzen auch sind: Der Hipster ist nicht totzukriegen. Er wird ewig leben, denn womöglich ist unser Spott nichts anderes als die versteckte Sehnsucht, dazuzugehören.

Von Lena Jakat

Eigentlich gehört es sich nicht, über das Ableben eines Menschen zu jubilieren. Und doch löst eine in regelmäßigen Abständen verbreitete Todesmeldung immer wieder begeisterte Reaktionen aus: die des Hipsters. Das Problem nur: Er ist nicht totzukriegen.

Schon 2007 forderte das Stadtmagazin Time Out New York: Der Hipster muss sterben. Vor ziemlich genau einem Jahr setzte sich an dieser Stelle ein Essay mit dem vermeintlichen Ende des Phänomens auseinander. Am Sonntag hat sich unter dem Titel "The end of the hipster" nun Observer-Autorin Morwenna Ferrier mit dem Tod des vollbärtigen, karohemdtragenden Stadtradlers auseinandergesetzt. Sie fragt: Wie wurde aus dem anerkennend gemeinten Hipster der verächtlich gemeinte Hipster? Kurz: Wann hörte der Hipster auf, cool zu sein?

Vieles spricht dafür, dass der Begriff Hipster tatsächlich meistens, wenn nicht als Schimpfwort, so doch spöttisch gebraucht wird. Um jemanden zu bezeichnen, der sich künstlich verrenkt, um trendy zu sein. Der nicht merkt, dass er in all seiner Individualität längst im Mainstream angekommen ist und sich immer noch überlegen geriert. Der, wie Alex Miller von der britischen Vice sagt, das "Gegenteil von authentisch" ist. Das ist unbenommen. Doch war der Hipster - zumindest, wenn man den deutschen Sprachraum betrachtet - überhaupt jemals ausschließlich und aufrichtig anerkennend gemeint? Seit sich der Begriff aus den Jazz-Sparten der Feuilletons befreit hatte und ganz allgemein eine modische, trendbewusste, coole Person bezeichnete, hat er in den vergangenen fünf bis zehn Jahren eine wahre Inflation erlebt.

Typologie der Hipster
:Katzenpullifrau und Comicladenmann

Man erkennt sie an ihrer Verachtung für den Mainstream: Sie bevölkern die In-Viertel der Großstädte, wo sie Möpse ausführen und Räder ohne Bremsen fahren. Hipster sind immer ein bisschen schräg, nerdig und irgendwie anders. Von Cupcake-Bäckerin bis Barista - eine Typologie der Hipster.

In den Großstadt- und Zeitgeistdebatten war der Hipster eigentlich nie nur anerkennend gemeint, war allerhöchstens teilweise positiv besetzt. Aber in den allermeisten Fällen wird das Wort, triefend vor bissiger Ironie, für alle jene benutzt, denen man vorwirft, sich mithilfe von Ironie vor der Ernsthaftigkeit zu flüchten. Wie hip dieser Typ, der glaubt, mit seinem ironischen Schnauzer das Büroleben verändern zu können!

Diese Häme ist auch kein Wunder. Denn wie in Ferriers Text klar wird steht der Hipster ja nicht für eine bestimmte Person, sondern für eine bestimmte (die Eulenanhänger, Dutt und Plisseerock tragende) Art von Personen. Für ein Kollektiv. Wie Slate-Autor Luke O'Neil in Ferriers Text richtig anmerkt: "Wer hat gesagt, dass sie einzigartig sein wollten? Ich glaube, es geht mehr darum dazugehören zu wollen."

Nun sind es weniger die Mitglieder dieser Gruppe selbst, die das Wort Hipster benutzen, um ihr eigenes Milieu, sich und ihre Freunde zu bezeichnen. Im Gegenteil, sie würden sich wohl angegriffen fühlen. Sondern es sind Leute außerhalb dieser Gruppe, die über Hipster schreiben und spotten. Und liegt nicht genau darin die Ursache für den spöttisch-ironischen Beiklang? Dass nämlich der Nicht-Hipster - ganz im Geheimen - doch auch gern ein Hipster wäre?

Wer wäre nicht gern die erste im Freundeskreis, die statt Schwalben stilisierte Wale auf der Bluse trägt? Der erste, der das Bier aus der Mikro-Brauerei entdeckt hatte, schon zwei Jahre bevor im Zeit- Magazin davon die Rede war? Der ein Szene-Café mit selbst gebackenem Kuchen und Retro-Filterkaffee eröffnet? Die den Mut hat, Tennissocken zu schwarzen Pumps ins Büro zu tragen?

Gescheiterte Missionare
:Der Hipster ist tot ...

... es lebe der Hipster. In den USA wird diskutiert, ob sich das Rollenbild des als Retter von Coolness, Subkultur und gebeutelter Konjunktur gefeierten Kreativen endgültig überlebt hat. Aber der bärtige Hornbrillenträger lässt sich nicht so leicht unterkriegen.

Von Lena Jakat

Hand aufs Herz: Wer würde nicht gern dazugehören, zu den Menschen, die vorne mit dabei sind? Die die Gesellschaft voranbringen, sei es intellektuell, moralisch, oder zumindest modisch? Oder die das zumindest versuchen - und dabei so wirken, als tränken sie gerade einen Soja-Latte auf der grünen Wiese und sähen den Wolken zu? Wer wäre nicht gern Teil einer wie auch immer gefassten Avantgarde, die blöderweise ja eben nur deswegen existieren kann, weil es ganz viele Menschen gibt, die hintendran sind.

Vermutlich war das schon damals so, als unsere Alten jung waren. Da spottete man halt nicht über die konsumgesellschaftlich versauten Eulenanhänger und die mainstreamigen Oma-Brillen. Sondern über weltfremde Exis (Existenzialisten), über arrogante Rock'n Roller oder entpolitisierten Hippie-Mädchen (Haben die überhaupt schon mal Marx gelesen?). Und überhaupt, all diese langhaarigen Bombenleger - die denken wohl immer noch, sie wären was besonderes gewesen.

Womöglich gab schon immer mit Spott imprägnierte Gruppenzuschreibungen. Aber kein Wort dürfte es wie dem Hipster gelungen sein, all die unerfüllten Zugehörigkeitsfantasien auf den Punkt zu bringen. Sehnsucht, die sich in Verachtung kleidet, noch schnell ins Ironiebad hüpft - und dann doch nur in zwei Silben passt.

Für die Überlebensfähigkeit des Hipsters heißt das: Er wird vielleicht irgendwann seinen Bart abrasieren, die Oakley-Sonnenbrille wiederentdecken und womöglich sogar irgendwann Skoda Octavia oder Trekkingrad fahren. Schon jetzt trägt der weibliche Hipster ja die nie für möglich gehaltenen Birkenstock-Latschen. Der Hipster wird vielleicht auch seinen Namen ändern. Und Chicster, Mittster oder ganz anders heißen. Völlig spottfrei wird er sich jedoch nie anreden lassen. Dafür lieben wir ihn zu sehr.

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