Südamerika:Pizza ohne Käse

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In vielen Ländern der Erde gibt es Kriege oder Krisen. Zum Beispiel in Venezuela. Man bekommt dort kaum noch Lebensmittel oder Medikamente. Valentina, 11, lebt dort und erzählt uns aus ihrem Alltag.

Von Boris Herrmann

"Ich liebe Venezuela, aber die Situation ist kompliziert. Mein Papa arbeitet beim Militär, meine Mutter ist Schneiderin. Viele Familien müssen hungern, bei uns geht es noch, mehr oder weniger. Mein Lieblingsessen ist Pizza mit Käse, Schinken und Champignons. Leider haben wir manchmal keinen Käse, manchmal keinen Schinken und manchmal keine Champignons.

Im Moment sind bei uns Sommerferien und die verbringe ich wie immer bei meiner Oma in San Antonio de los Altos. Das ist ein Ort in der Nähe der Hauptstadt Caracas. Heute war ich fast den ganzen Tag in der Ferien-Kolonie. Da haben sie richtig gute Spiele mit uns gemacht, wir haben zum Beispiel eine Hütte gebaut. In San Antonio gibt es auch einen guten Spielplatz, aber da kann ich leider nicht mehr hingehen. Oma sagt, dass es draußen zu gefährlich geworden ist.

Ich wohne mit meinen Eltern in San Cristóbal ganz im Westen von Venezuela. Wir haben dort ein schönes Haus mit zwei Stockwerken und einem kleinen Garten. Mein Bruder und ich haben beide ein eigenes Zimmer. Von uns zu Hause fährt man 18 Stunden mit dem Bus bis zu meiner Oma. Mit dem Flugzeug geht das natürlich schneller, früher sind wir manchmal geflogen. Das geht zurzeit nicht. Es gibt nur noch wenige Flüge - und die sind sehr teuer. Diesmal hat mich mein Papa mit dem Bus hingebracht.

Wenn die Ferien vorbei sind, muss ich wieder um sechs Uhr aufstehen, um pünktlich in der Schule zu sein. Der Unterricht beginnt um 7 Uhr und dauert bis 13 Uhr. Die Krise ist in der Schule kein Thema. Ich bin eine sehr fleißige Schülerin, denn ich will einmal Schauspielerin werden. So wie die in meiner Lieblingsserie im Fernsehen, La Doña. Da geht es um ein Mädchen, das entführt wurde. Manchmal macht mir das ein bisschen Angst.

Neulich war Valentina krank. In der Apotheke gab es keine Medizin

Nachmittags spiele ich am liebsten mit meinen Hunden: Dana, Luna, Polly und Aquira. Manchmal bekomme ich Taschengeld, manchmal nicht. Wenn, dann etwa 10 000 Bolivares für eine Woche. Früher habe ich mir davon oft Schokolade gekauft, aber das geht jetzt leider nicht mehr. Da wäre für einen kleinen Schokoladenriegel ja mein halbes Taschengeld weg. Die kosten nämlich jetzt 5000. Also kaufe ich mir erst mal keine Schokolade mehr.

Vor drei Monaten war ich zum letzten Mal krank. Ich hatte Fieber und schreckliche Kopfschmerzen. Meine Mutter ist mit mir zum Arzt gegangen und er hat mir eine Medizin verschrieben. Aber die gab es nicht in der Apotheke. Mama hat mir dann etwas Natürliches gegeben. Schmeckte scheußlich, aber davon wurde ich zum Glück auch wieder gesund.

Meistens gehen wir im Supermarkt einkaufen, obwohl man dort so lange anstehen muss. Aber weil die Sachen immer teurer werden, fahren meine Eltern auch ab und zu über die Grenze nach Kolumbien zum Einkaufen. Dann haben wir für eine Weile auch wieder alles, was man für eine gute Pizza braucht."

© SZ vom 09.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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