Spreebogen:Tack, tack, tack...... öööööp

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Nico Fried wurde 1966 in Ulm geboren. Er leitet seit 2008 das Parlamentsbüro der Süddeutschen Zeitung in Berlin und trägt auch im Sommer meistens feste Halbschuhe. (Foto: N/A)

Journalisten müssen an vieles gleichzeitig denken, manchmal leider auch an Geräusche: Zum Beispiel die Störgeräusche, die Mobiltelefone verursachen, die direkt neben ihrem Aufnahmegerät liegen.

Von Nico Fried

Neulich haben wir ein Interview mit Sigmar Gabriel geführt. Zwei Kollegen und ich trafen den SPD-Vorsitzenden im ICE nach Braunschweig. Es ist interessant zu beobachten, wie andere Fahrgäste reagieren, wenn der Vizekanzler über den Bahnsteig oder durch den Zug geht. Erst gucken viele überrascht. In ihren Gesichtern steht meistens so etwas wie: Das ist doch der Dings, na, der von der SPD, wie heißt er noch, Gabriel, genau. Und dann schauen die meisten eigentlich recht freundlich, viel freundlicher jedenfalls, als es die Umfragewerte der SPD vermuten lassen.

Gabriel führt Gespräche mit Journalisten gerne im Zug. Vielleicht, weil er im Zug flexibel sein kann. Die Fahrt Berlin - Braunschweig dauert 80 Minuten. Wenn Gabriel in Plauderstimmung ist, hat er nach der Ankunft noch Zeit für einen Kaffee. Wenn es aber nicht so gut läuft, kann er schon in Wolfsburg versuchen, die Reporter mit einem starken Argument loszuwerden: Hier erwischt man nämlich den Zug zurück nach Berlin, der einem in Braunschweig vor der Nase wegfährt.

Das Gute an Interviews im Zug ist zudem: Man ist praktisch ungestört. Als Politiker jedenfalls. Als Journalist nur dann, wenn man nicht so dusselig ist wie ich.

In all den Jahren als Journalist, nach denen ich nun gefühlt kurz vor der Rente stehe, habe ich unzählige Fehler mit Aufnahmegeräten gemacht. Ich habe die Batterien vergessen. Oder die Batterien, die ich dabeihatte, waren leer. Ich habe eine kaputte Kassette mitgenommen, aber keine Ersatzkassette. Ich habe für die Aufnahme die falsche Geschwindigkeit eingestellt, weshalb sich der Interviewte beim Abhören entweder so schnell anhörte wie Donald Duck auf Ecstasy oder so langsam wie ein sedierter Breitmaulfrosch. Ich habe vergessen, das Mikrofon einzuschalten. Oder ich habe das Mikrofon eingeschaltet, aber nicht den Rekorder.

Dieses Mal hatte ich an alles gedacht. Nur nicht an mein Handy. Und nicht an Gabriels Handy. Beide lagen neben dem Kassettenrekorder. Beide waren eingeschaltet. Gabriels Handy war an, weil er für einen Rückruf von Horst Seehofer erreichbar sein wollte. Mein Handy war an, weil ich immer für Anrufe meines Vorgesetzten erreichbar sein will. Das soll natürlich nicht heißen, dass ich zu meinem ehemaligen Büroleiter, der heute mein Chefredakteur ist, in einer Beziehung stehe wie Seehofer zu Gabriel. Diesen Vergleich würde er mir nie verzeihen. Und mein Chef auch nicht.

Obwohl - eines haben Seehofer und mein Chef doch gemeinsam: Sie riefen beide an diesem Tag nicht an. Dafür einige andere Leute, vor allem bei Gabriel. Und dazu kamen offenbar noch jede Menge Kurznachrichten. Dabei entsteht eine Störung namens Interferenz. Das Ergebnis ist das schiere Grauen auf der Kassette. Erst klingt es so: "Tack, tack, tack". Kurze Pause. Dann hört man nur noch: "Mööööööööööööööööööööööööööööp." SZ: "Herr Gabriel, treten Sie 2017 als Kanzlerkandidat der SPD an?"

Gabriel: "Gut, dass Sie fragen... tack, tack, tack... und deshalb werde ich 2017 mööööööööööööööööööööööööööp. . ich denke, das beantwortet Ihre Frage."

Verehrte Fahrgäste, in Kürze erreichen wir Braunschweig Hauptbahnhof.

© SZ vom 28.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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